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Archiv-Artikel

Ein Blick in den Abgrund

Sarah BSC

von Sarah Schmidt

Nun ist sie also vorbei, die lang erwartete Mitgliederversammlung von Hertha BSC. Und eigentlich ist wieder mal nichts passiert. Manager Preetz langweilte mit Durchhalteparolen sowie Zitaten von Brecht und Bloch; die zumindest etwas Aufregung versprechenden Abwahlanträge wurden zurückgezogen, und ein Mitglied schlug vor, dass Hertha doch mal eine Currywurst mit Fans essen gehen solle, das würde die Mitmenschlichkeit fördern. Also alles wie gehabt – und typisch Berlin: Erst eine große Fresse haben, und am Schluss wird nur ein lauwarmer Pups daraus. Geschenkt.

Nicht geschenkt ist hingegen die zweite Liga. Denn dass Hertha nicht absteigt, bleibt weiterhin so wahrscheinlich, wie dass alle Opel-Arbeiter ihren Job behalten. Also setzen wir uns besser jetzt damit auseinander, als später überrascht zu werden.

Die zweite Liga ist ja im Grunde so wie der zweite Arbeitsmarkt: Während in der ersten Liga alle ihr sicheres Gehalt haben und – ganz wichtig im Arbeitsleben – Anerkennung finden und trotzdem auf hohem Niveau nörgeln können, packt in der zweiten und dritten Liga die Realität unsere Jungs am Schlafittchen. Zumindest die Spieler, die sich nicht in andere Jobs retten können, weil sie zu alt, zu unbegabt, zu unbeliebt oder einfach Pechvögel sind.

Realität heißt hier: Die Hotels, in denen die Mannschaft bei Auswärtsspielen übernachtet, werden billiger, das mediale Interesse lässt spürbar nach, Unterstützungen werden gekürzt oder ganz gestrichen, die Gegner spielen uneleganter, und die Chancen, wieder auf dem ersten Arbeitsmarkt resp. in die erste Liga aufgenommen zu werden, schwinden von Monat zu Monat. Hertha wird dann da ankommen, wo die meisten von uns schon lange leben: im Prekariat.

Hier in der Unterschicht lebt es sich übrigens gar nicht so schlecht. Man kann mal ins Museum gehen oder ein Buch lesen. Allerdings sind das nicht unbedingt die Interessen eines Fußballers. Reden wir darum lieber über Finanzen. Natürlich wäre mehr Geld schön, aber da kaum noch jemand „mehr Geld“ hat, ist der Neidfaktor hier unten deutlich niedriger.

Also: Zweite Liga ist nicht das Schlechteste. Und vielleicht entdeckt Hertha dort auch wieder, was Fußball eigentlich bedeutet: Ball spielen. Einfach so.