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Keine Leichen für Hamburg

TOTE Die Aufgaben des amtsärztlichen Leichenwesens soll jetzt doch weiter das rechtsmedizinische Institut am Klinikum Mitte wahrnehmen. Dabei war der Plan, das zum Jahreswechsel aufzulösen

„Eine Entscheidung ist noch nicht gefallen“

Christina Selzer, Sprecherin der Gesundheitssenatorin

Das Neue ist, dass es keine Entscheidung mehr gibt: Noch im Oktober hatte die Gesundheitsbehörde angekündigt, ab 2016 das rechtsmedizinische Institut des Hamburger Universitätsklinikums Eppendorf (UKE), das von Klaus Püschel geleitet wird, mit den Aufgaben des amtsärztlichen Leichenwesens zu beleihen (taz berichtete). Zugleich sollte das Institut für Rechts- und Verkehrsmedizin (IRVM) am Klinikum Mitte zum 1. Januar schließen.

Beides fällt aus: „Unser Plan B ist, das rechtsmedizinische Institut der Geno weiter zu beleihen“, erläuterte Christina Selzer, Sprecherin der Gesundheitssenatorin, der taz auf Nachfrage. Damit ist auch wieder völlig offen, wer in Bremen die Einführung einer flächendeckenden qualifizierten Leichenschau wissenschaftlich betreut. Beschlossen ist, dass sie zum 1. Juli starten soll.

Das Projekt einer flächendeckenden qualifizierten Leichenschau wird in der Fachwelt aufmerksam betrachtet: Seit Jahrzehnten herrscht bundesweit Konsens, dass viele unnatürliche Todesfälle übersehen werden – wegen Mängeln der Leichenschau. Bremen wäre das erste Bundesland, hier Abhilfe zu schaffen.

Das verleiht dem Auftrag fachliches Prestige. Hinzu kommt, dass die Komplettbegutachtung der Toten einer Stadt eine krisenfeste Einnahmequelle bedeutet: Die rechtsmedizinischen Institute sind, trotz TV-Popularität der Diszi­plin, oft knapp finanziert.

Zwar hatte sich die Gesundheitsbehörde ohne fachliche Begründung noch vor dem Amtsantritt von Senatorin Eva Quante Brandt (SPD) auf ein Zusammengehen mit dem UKE festgelegt. Dann aber hatte der Direktor des rechtsmedizinischen Instituts der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH), Michael Klintschar, darauf aufmerksam gemacht, dass es durchaus im Interesse des Nachbarlandes Niedersachsen wäre, wenn sein Team die Bremer Leichen begutachten dürfte.

Mittlerweile hat sich Gesundheitsstaatsrat Rüdiger Kück auch die inhaltlichen Vorstellungen von Klintschar erläutern lassen. Immerhin arbeitet der schon jetzt mit dem Bremer Ärztlichen Beweissicherungsdienst (ÄBD) des früheren, im Sommer pensionierten IVRM-Chefs Michael Birkholz zusammen. Der führt seit August, wissenschaftlich begleitet vom MHH-Team, an allen Toten im Krankenhaus Delmenhorst eine qualifizierte Leichenschau durch. Die Klinik reagiert mit dem Projekt auf das jahrelang unentdeckte Morden von Pfleger Niels H.

„Eine Entscheidung ist noch nicht gefallen“, sagte Behördensprecherin Selzer nun. Für „mindestens ein halbes Jahr“ übernehme das IRVM das amtsärztliche Leichenwesen: Das ist einerseits die verbindlich vorgeschriebene Begutachtung der für eine Feuerbestattung vorgesehenen Toten. Andererseits ist für die Beerdigung der Verschiedenen zu sorgen, um die sich niemand kümmert. BeS

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