: Verzweifelt gesucht: junge MigrantInnen
AUSBILDUNG Zu ihrer Zufriedenheit befragte der Deutsche Gewerkschaftsbund Berliner Azubis. Im Fokus sollten dabei Jugendliche mit Migrationshintergrund stehen – doch waren die so rar gesät, dass es nicht mal für eine repräsentative Befragung reichte
![](https://taz.de/private/picture/5253873/516/169329.jpg)
von Anna Klöpper
So etwas nennt man dann wohl von der Realität überholt: Der diesjährige Ausbildungsreport des Deutschen Gewerkschaftsbundes wollte den Schwerpunkt auf die Ausbildungssituation von Jugendlichen mit Migrationshintergrund legen. Doch: „Wir fanden gar nicht so viele von diesen jungen Menschen, wie wir für eine repräsentative Datenlage gebraucht hätten“, sagt Christin Richter vom DGB Berlin-Brandenburg, die die Studie betreute und am Dienstag vorstellte.
Rund 2.000 Azubis an 25 beruflichen Oberstufenzentren (OSZ) und Berufsschulen haben die Gewerkschafter zur Situation in ihrem Ausbildungsbetrieb gefragt: Wie zufrieden sie sind mit ihren AusbilderInnen, mit der Bezahlung, mit ihren Arbeitszeiten. Man erhoffte sich dabei insbesondere auch repräsentative Zahlen zur Zufriedenheit der Azubis mit Migrationshintergrund – doch man traf lediglich 600 von ihnen in den ausgewählten berufsbildenden Schulen an. An den Berufsschulen und auch an einigen OSZ können Jugendliche eine sogenannte duale Berufsausbildung machen: Ausbildung im Betrieb plus Abitur beziehungsweise Theorieunterricht im gewählten Berufsbild.
„Generell kann man sagen, dass diese Jugendlichen deutlich mehr Bewerbungen schreiben müssen, um einen Ausbildungsplatz zu bekommen, als andere“, bilanziert Gewerkschafterin Richter. Die DGB-Vorsitzende für Berlin-Brandenburg, Doro Zinke, warb daraufhin noch mal für anonymisierte Bewerbungen, in denen weder Namen noch Adresse, die Rückschlüsse auf einen Kiez bzw. Milieu zulassen, genannt werden.
Zudem bilden viele Betriebe zunehmend bevorzugt AbiturientInnen aus, wie Ronald Rahmig, Leiter des OSZ Kfz-Technik in Charlottenburg, sagt. „Da spielt auch die persönliche Reife eine Rolle.“ Obwohl die Zahlen der AbiturientInnen mit Migrationshintergrund seit Jahren steigen, machten sie im vergangenen Schuljahr gerade mal ein Fünftel aller Berliner AbiturientInnen aus.
Zu wenig: In Berlin fehlen laut Ausbildungsreport des Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) rund 1.000 Lehrstellen. Auf einen Bewerber kommen etwa 0,89 Lehrstellen. Vor vier Jahren waren es noch 1,26. Schuld sei die geringe Ausbildungsbereitschaft der Betriebe, so der DGB. In Berlin bilden lediglich 12,5 Prozent aller Betriebe aus – bundesweit der schlechteste Wert.
Zu schlecht:Ein Drittel aller Berliner Azubis lösen ihre Ausbildungsverträge wieder auf. Laut DGB sind vor allem schlechte Ausbildungsverhältnisse dafür verantwortlich: Rund 25 Prozent der Azubis müssten regelmäßig Überstunden leisten oder hätten keinen Ausbildungsplan. 15 Prozent gaben an, Theorieunterricht „nacharbeiten“ zu müssen. Besonders negativ kamen die Sicherheitsdienste als Ausbildungsbetriebe weg: Hier berichteten Azubis von Nachtschichten, gefolgt von morgendlichem Unterricht in der Berufsschule. (akl)
Nur schwer in den Ausbildungsmarkt fänden auch Jugendliche aus sogenannten Qualifizierungsmaßnahmen, konstatiert der Bericht. Am OSZ von Schulleiter Rahmig etwa machten derzeit 125 SchülerInnen eine „integrierte Berufsausbildungsvorbereitung“ – innerhalb eines Schuljahres sollen also Jugendliche ohne oder mit einfachem Schulabschluss darauf vorbereitet werden, überhaupt eine Ausbildung beginnen zu können: ein Pilotprojekt der Senatsbildungsverwaltung.
Die Betriebe goutierten das Projekt indes eher nicht, sagt Rahmig, der auch Vorsitzender des Verbands der berufsbildenden Schulen ist. „Die Vermittlungsquote in die betriebliche Ausbildung liegt bei unter 50 Prozent.“ Zwar gebe es da auch durchaus mal den einen oder anderen Bewerber, bei dem fachliche oder soziale Kompetenzen zu wünschen übrig ließen, wie Rahmig sagt. „Aber es überwiegen ganz klar die Vorurteile seitens der Ausbildungsbetriebe.“
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen