: Exklusiv: Der Modelabel-Test der taz nord
Über 50 Modelabels präsentieren sich am heutigen Samstag in Hamburg. Wir haben drei von ihnen besucht und die Kleiderprobe gemacht
Sium
Designermode ist für andere – nett in aufwendig fotografierten Hochglanzbroschüren anzusehen. Doch wer braucht schon Siebdruckunikate auf Kleidern aus Walkwolle, und dann noch für 200 Euro aufwärts? Da kann man sich bei H&M ja fast eine komplette Wintergarderobe für kaufen... Und doch, in dem Moment, in dem ich „Sium“ im Hamburger Karoviertel betrete und die Winterkollektion der Designerin Regine Steenbock sehe, ändert sich meine Einstellung schlagartig. Na gut, anprobieren kann ich es ja mal, dieses naturweiße, glockig ausgestellte Wollkleid mit dem raffinierten Ausschnitt und den aufgesprenkelten, leuchtend roten Punkten. Futuristisch anmutend in Form und Farbe, aber gleichzeitig äußerst vertrauenserweckend durch das robuste Material, und tatsächlich, es passt, wie angegossen sogar! Das kratzige, rauhe Gefühl der eng anliegenden Walkwolle auf der Haut ist nicht störend, sondern vermittelt das heimelige Gefühl, gewappnet für kalte Tage zu sein – und dabei exklusiv und außergewöhnlich gekleidet. Was macht es da schon, dass ich weder passende Schuhe, noch eine passende Jacke habe – wäre ich zum Einkaufen hier, meine Wahl wäre getroffen. So aber begebe ich mich schweren Herzens zurück in die Umkleidekabine und probiere das nächste Stück an, ein knielanges Kleid aus leuchtend rotem Cord, komplett erst mit dem asymmetrischen Unterrock, dessen langes Ende man als Rockschleppe tragen oder an der Taille feststecken kann. Eine Idee, geboren aus dem Missgeschick eines verschobenen Rockfutters, wie die Geschäftsinhaberin mit strahlendem Gesicht erklärt. Ihre Begeisterung ist ansteckend – verrutschte, verschobene und verdrehte Formen erscheinen mir plötzlich nicht mehr als Ausdruck abgehobener Kreativität, sondern lebensnah und kleidsam.
Akademie für Mode und Design
Etwa 15 Röcke, alle in dem gleichen kräftigen Rotton, baumeln von der Decke der Hochschulgalerie, an Stangen befestigt und arrangiert als Mobile: die Abschlussarbeiten des ersten Semesters der Hamburger Akademie für Mode und Design. Durchaus tragbar seien die Röcke, bis auf wenige Ausnahmen, betont Susanne Müller-Elsner, Dozentin und künstlerische Leiterin des Studiengangs Mode. Majestätisch hängen die Kreationen im Raum, weniger Kleidung, eher Kunst. Dieses Gesamtkunstwerk entehren, um einen Teil herabzuholen und mir über die Hüften zu streifen? Lieber nicht! Die Studentinnen lernten an der Akademie als Erstes, sich von vertrauten, gängigen Mustern zu verabschieden, nur so könnten sie etwas völlig Einzigartiges schaffen, erläutert die Dozentin, die selbst in dezenter, klassischer Eleganz auftritt. Ihre Schülerinnen müssten versuchen, alles zu vergessen, was sie an Kleidern kennen. Das scheint den meisten vorzüglich gelungen – auf der Straße kann ich mir diese Röcke nun wirklich nicht vorstellen. Einer besteht aus fest gearbeiteten, miteinander verbundenen Stoffrohren. Nicht weit entfernt schwebt eine voluminöse Kreation in Form einer Muschel. Kostbare Einzelstücke, die in monatelanger Arbeit entstanden sind und an denen das Herzblut der Studentinnen hängt. Selbst wenn ich mich traute: für draußen wären sie viel zu schade.
Cornelia Horn
Cornelia Horn macht Mode für die selbstbewusste Geschäftsfrau. Klare Formen und gedeckte Farben vermischen sich mit maskulinen Details. Streng und gradlinig wirkt ihre Kollektion, die sie in der Boutique „Kadir Demir“ im Grindelviertel ausstellt. Ihre Mode sei für berufstätige, erfolgreiche Frauen gedacht, die sich in Männerdomänen behaupten müssen, sagt die Designerin. Ich bin etwas eingeschüchtert, probiere aber dennoch das hochgeschlossene, schwarze Winterkleid an, das sie mir in die Kabine reicht. Komisch, dass man sich in schlichtem Schwarz so verkleidet fühlen kann. Es sitzt nicht richtig, lässt meine Schultern kantig wirken und ist an den Hüften etwas zu eng. Wahrscheinlich bin ich einfach nicht erfolgsorientiert oder durchsetzungswillig genug, denn ich vermisse genau die Dinge, auf deren Abwesenheit die Modeschöpferin so großen Wert legt: Verspieltheit, Entspanntheit, Farbe. Beleidigt ist Cornelia Horn nicht, so sei nun mal ihre Mode. Offenbar entspreche ich nicht dem Typ Frau, für den sie ihre Stücke entwirft. In gegenseitigem Einverständnis verzichten wir auf weitere Experimente. Yasemin Ergin