: Elegante Entgegnungen
KINO Die Französische Filmwoche reflektiert auch die jüngsten Terroranschläge und antwortet mit Humor
von Fanny Steyer
Natürlich machen die jüngsten Terroranschläge von Paris die Französische Filmwoche in Berlin in diesem Jahr zwingend zu etwas Besonderem: In der 15. Ausgabe des Festivals wurde das Programm zudem um eine neue Sektion erweitert. Doch Politische Filme und Filme über Politik bilden auch über die neue Sparte „Politik und Fiktion“ hinaus einen Schwerpunkt des Festivals. Vor allem die Ereignisse des 13. November aber überschatten die Filmwoche nicht nur, sondern verändern auch die Perspektive: Für die Organisatoren des Festivals waren die Anschläge auch ein Angriff auf das französische Kulturverständnis, deshalb wollen sie die Position des Kinos als Ort des Austauschs und der Begegnung umso mehr festigen.
Mit im diesjährigen Programm sind wunderbare satirische Spielfilme, für die die Grauzonen französischer Politik den Stoff liefert. Andere Filme antworten elegant auf den jüngsten Terror – ein Dokumentarfilm dient der Aufarbeitung der traumatischen Geschehnisse. Das französische Kino zeigt sich hier kritisch und kämpferisch. Zugleich versteift sich das Festival nicht auf den neuen Schwerpunkt, sondern lässt dennoch Raum für typisches französisches Kino – Liebesgeschichten und Gesellschaftsstudien. Dem selbst gestellten Anspruch, das Kino zum Ort des Austauschs zu machen, wird das Festival etwa mit fünf Debütfilmen gerecht, die in der Reihe „Cinéphilie“ gezeigt werden und die der Historiker und Filmkritiker Jean-Michel Frodon persönlich vorstellen wird. Unter anderem wird er den Film „Fidelio“ von Lucie Borleteau vorstellen, der im Cinema Paris Premiere feiert. In dieser Reihe werden vier weitere Filme im Institut français gezeigt. Damit soll dem Publikum eine Gelegenheit für Begegnung und Austausch rund um die Frage „Filmkultur, Filmerleben und Filmkritik – Was ist Cinéphilie?“ geboten werden.
Im Dokumentarfilm „Je suis Charlie“ von Daniel und Emmanuel Leconte werden die Ereignisse vom Januar 2015 in Paris chronologisch rekonstruiert. Nach den Attentaten vom 13. November berührt dieser Film besonders, vor allem auch, weil er auf die Geschichte eines Prozesses aus dem Jahr 2007 zurückgreift, den die Satirezeitschrift Charlie Hebdo gewonnen hatte. Schon damals hatten die Journalisten mit Mohammed-Karikaturen etliche Drohungen erhalten, hatten aber beschlossen, nicht von ihrer Art zu arbeiten abzuweichen. Stimmen von Redaktionsmitgliedern von Charlie Hebdo sowie Archivmaterial und Bilder der umstrittenen Zeichnungen bilden (trotz einer oftmals übertrieben dramatischen Filmmusik) eine rührende Ehrung der Satiriker, die für die Freiheit, über alles lachen zu können, gestorben sind.
Eine zugleich bizarre und geniale Komödie ist der Film „Gaz de France“ von Benoît Forgeard über den ehemaligen Schlagersänger Bird, der nach François Hollande zum nächsten Präsidenten gewählt wurde, doch immer mehr an Zustimmung bei der Bevölkerung verliert. Deshalb engagiert sein Berater ein Team von Kreativen, die mit einer genialen Idee Frankreich vor einem drohenden Untergang retten sollen. Absurde Details persiflieren das politische System und zeichnen ein deprimierendes Bild politischer Kultur in Frankreich: Bird wurde eigentlich nur gewählt, weil er einen tollen Hit für den Wahlkampf veröffentlicht hat. Kenntnisse über Politik fehlen ihm völlig. Überzeugend ist dabei die schauspielerische Leistung von Philippe Katerine – einem französischen Sänger und Schriftsteller, dem man eine solche Karriere durchaus zutrauen würde.
Mit „My internship in Canada“ von Philippe Falardeau feiert außerdem eine frankofone Komödie Deutschlandpremiere, die einen Einblick in den Alltag eines Provinzpolitikers bietet. Der unabhängige Abgeordnete Guibord wird von allen Seiten unter Druck gesetzt und findet sich bald in einer Situation wieder, in der es einzig und allein noch von seiner Stimme abhängt, ob Kanada in den Krieg ziehen wird oder nicht. Vom Medienaufkommen überfordert, begibt er sich in ein basisdemokratisches Abenteuer, in dem ihm die wütenden Ureinwohner und protestierende Trucker das Leben schwer machen. Die Demokratie kann eben eine Tortur sein.
Französische Filmwoche Berlin: 9.–15. 12., verschiedene Orte in Berlin, Programm unter: www.franzoesische-filmwoche.de
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