Schnellverfahren kommen nicht ganz so schnell

ASYLPOLITIK Die Bundesregierung ist zerstritten. Innenminister arbeiten an Minimalkompromiss

Statt Schnellverfahren doch wieder Einzelfallprüfung? Syrischer Flüchtling in Rottenburg Foto: Wolfram Kastl/dpa

BERLIN taz/dpa | Es könnte ein ganz kleiner Kompromiss werden. Wenn sich am Donnerstag und Freitag in Koblenz die Innenminister der Bundesländer treffen, wird auch Thomas de Maizière (CDU) dabei sein. Der Bundes­innenminister wird noch einmal für eine Idee werben, mit der er vor einem Monat or­dentlich auf die Nase gefallen ist: ein strengerer Umgang mit syrischen Flüchtlingen.

Konkret geht es jetzt nur noch um eine Rückkehr zu Einzelfallprüfungen. Diese waren für syrische Asylbewerber im November 2014 abgeschafft worden, um deren Verfahren zu beschleunigen: Statt einer mündlichen Befragung reichte das Ausfüllen eines Fragebogens, da fast alle Syrer ohnehin den Status eines Flüchtlings nach der Genfer Konvention erhielten.

Nun offenbar die Kehrtwende. Selbst Innenminister aus den SPD-Ländern verweisen auf die Sicherheitslage. Die Einzelfallprüfungen hätten den Vorteil, dass man wieder genau wisse, wer sich im Land aufhalte, sagte Roger Lewentz (SPD) aus Rheinland-Pfalz, Chef der Innenministerkonferenz.

De Maizière wollte eigentlich mehr: Er hatte das Bundesamt für Migration bereits angewiesen, syrische Flüchtlinge nur noch als „subsidiär Schutzberechtigte“ zu behandeln – mit einem Aufenthaltsrecht von vorerst nur einem Jahr statt drei und ohne Recht auf Familiennachzug. Auf Druck des Kanzleramts musste de Maizière die Weisung wieder zurückziehen. Lewentz will diese strittige Frage in Koblenz nicht aufrufen: Den Familiennachzug müsse die Bundesregierung klären.

Dort allerdings hakt es derzeit in der Flüchtlingspolitik. Eigentlich hatte sich die Regierung bereits Anfang November auf ein weiteres Gesetzespaket mit Verschärfungen des Asylrechts geeinigt, darunter die Einführung von Schnellverfahren und eigenen Unterkünften für Flüchtlinge ohne Bleibeperspektive. Am Dienstag aber räumte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ein, dass das Paket nicht wie geplant zum 1. Januar in Kraft treten werde. Der Zeitplan sei nicht mehr einzuhalten, „die Beratungen dauern an“.

CSU und SPD werfen sich gegen­seitig vor, das Paket zu blockieren. Die SPD will noch zwei EU-Richtlinien integrieren, die Kinder, Schwangere und Kranke unter den Flüchtlingen besser medizinisch versorgen wollen. Deren Umsetzung sei ohnehin überfällig. Die CSU lehnt eine Erweiterung ab: Das Paket sei geschnürt, die Richtlinien seien praktisch nicht umsetzbar.

CSU und SPD werfen sich gegenseitig eine Blockade vor

„Wir wollen und brauchen das nicht“, sagte CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt am Dienstag. Auch die Frage, ob und wie weit der Familiennachzug eingeschränkt werden kann, ist in der Regierung weiter strittig. Eine Einigung ist offenbar erst nach den anstehenden Parteitagen von SPD und CDU zu erwarten.

Derweil sanken die Flüchtlingszahlen zuletzt merklich. In den letzten Tagen erreichten Deutschland jeweils nie mehr als 3.725 Menschen. Noch im September waren es teils mehr als 10.000 täglich. Eine Entlastung des Bundesamtes für Migration (Bamf) ist dennoch nicht in Sicht. Denn die Hauptgruppe der Einreisenden bleiben Syrer. Und wenn diese bald wieder in Einzelfallprüfungen müssen, werden die Verfahren wieder aufwendiger. Das, sagt Bamf-Chef Frank-Jürgen Weise, sei dann wohl eine „Abwägung von Sicherheitsfragen mit Produktivität“. Konrad Litschko