: Fieberhafte Suche nach dem Drahtzieher Abdelhamid Abaaoud
Attentäter Die Behörden identifizieren Abaaoud als Organisator des Terrors. Fünf weitere Angreifer von Freitagnacht sind der Polizei ebenfalls bekannt
In der Nacht auf den Montag haben zwölf französische Kampfflugzeuge laut dem Pariser Verteidigungsministerium mit „massiven Bombardierungen“ Stellungen in einer Hochburg des Islamischen Staates bei der Stadt Rakka in Syrien angegriffen. Zuvor schon hatten die französischen Militärs Stellungen attackiert mit der Begründung, es handle sich um eine Form von Notwehr, da in diesen Bastionen vom IS unter anderem auch Attentate in Europa geplant würden. Dort werden auch die Hintermänner der Pariser Anschläge vermutet, die Frankreich eliminieren will. Die Ermittlungen in Zusammenarbeit mit den belgischen Behörden haben es erlaubt, den Namen eines solchen Drahtziehers aus Syrien zu nennen.
Noch steht nicht fest, welche Rolle genau der in Belgien aufgewachsene Abdelhamid Abaaoud bei der Vorbereitung der IS-Verbrechen vom Freitagabend gespielt hat. Er wird aber bereits in den Medien als Auftraggeber der acht Terroristen genannt, auf deren Konto 132 Tote und mehr als 300 Verletzte gehen.
Ihm wird auch angelastet, hinter mindestens zwei anderen Attentatsplänen zu stehen: dem gescheiterten Angriff auf eine Kirche in Villejuif bei Paris im April und dem Zwischenfall in einem TGV aus Amsterdam, in dem ein bewaffneter Terrorist von mutigen Passagieren überwältigt werden konnte.
Die belgischen Behörden verdächtigen ihn, auch eine Zelle von Terroristen organisiert zu haben, die im Januar (kurz nach den Anschlägen auf Charlie Hebdo und den jüdischen Supermarkt (Hyper Cacher in Paris) in der belgischen Stadt Verviers ausgehoben worden war.
Er wuchs als Sohn marokkanischer Einwanderer im Brüsseler Quartier Molenbeek-Saint-Jean auf, das heute als Hochburg der radikalen Islamisten und Drehscheibe des Terrorismus betrachtet wird. Abaaoud, der mehrfach seiner Verhaftung entging, gilt längst auch als Paradebeispiel für das Versagen der polizeilichen Überwachung. In einem Video prahlte er sogar, nach seiner Flucht nach Syrien sei er unbehelligt über Griechenland nach Belgien zurückgekehrt. Bei einer Kontrolle sei er so gut getarnt gewesen, dass ein Polizeibeamter ihn gar nicht erst erkannt habe.
Fünf an den Pariser Anschlägen Beteiligte sind inzwischen identifiziert worden. Alle fünf sind französische Staatsangehörige. Vier von ihnen sind tot. Der Fünfte aber wird nun fieberhaft gesucht. Es ist der 26-jährige Abdeslam Salah, dessen Steckbriefbild die Titelseiten der französischen Zeitungen „ziert“.
Von ihm ist bekannt, dass er einen grauen VW Polo gemietet hat, der beim Angriff auf den Konzertsaal Le Bataclan benutzt wurde. Unklar ist, ob er selber als Mitglied der insgesamt drei Terrorkommandos an den Attentaten direkt beteiligt war. Er ist jedenfalls der Festnahme entgangen.
Fest steht hingegen, dass sein Bruder, Brahim Abdeslam (31), der Mann war, der ein zweites Tatfahrzeug gemietet und sich zuletzt im Restaurant Au Comptoir Voltaire in die Luft gesprengt hat, ohne dass dabei andere Menschen ums Leben kamen. Der von Brahim Abdeslam gemietete Seat ist in Montreuil im Osten von Paris gefunden worden, die Polizei konnte darin Tatwaffen und andere wichtige Spuren und Beweismittel sicherstellen.
Von den drei Terroristen, die im Bataclan mehr als 80 Menschen massakriert haben, sind zwei aufgrund ihrer Fingerabdrücke eindeutig identifiziert: der 29-jährige Ismael Omar Mostefai stammt aus dem Pariser Vorort Courcouronnes und wohnte zuletzt in Chartres, der 28-jährige Samy Amimour kam aus Drancy im Norden von Paris, beide waren der Antiterrorpolizei bekannt. Das gilt auch für den erst 20-jährigen Bilal Hadfi, der in Saint-Denis seinen Gürtel mit Sprengstoff gezündet hat.
Ein anderer der drei Selbstmordattentäter, die sich am Stade de France in die Luft gesprengt haben, könnte der Inhaber eines syrischen Reisepasses sein, der neben ihm gefunden wurde. In diesem Reisepass und einem zweiten, ebenfalls aufgefunden Pass befindet sich der Stempel der Einreisebehörden auf der griechischen Insel Leros.
In der Nacht auf den Montag hat die Polizei, gestützt auf die Vollmachten des Notstandsgesetze, 170 Hausdurchsuchungen durchgeführt und dabei zahlreiche Waffen gefunden, mindesten sieben Personen wurden festgenommen, für 106 andere wurde ein vorsorglicher Hausarrest angeordnet. Rudolf Balmer
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