: Sattes Knuspern
Solistin mit dialogischen Fähigkeiten: Die Trompeterin Birgit Ulher gastiert mit ihrem Trio „Nordzucker“ im Westwerk
„Wir machen mehr daraus“, verspricht die Werbung der Nordzucker AG – und bezieht sich auf die Süßkraft ihrer Produkte, die kristallin, in Würfel gepresst oder auch als Zusatz zu Räucherschinken, Dosensuppen und Fischspezialitäten fast in jedem Rezept der deutschen Küche vertreten sind.
Vielfältige Assoziationen tun sich also auf, wenn man die Debüt-CD eines Hamburger Trios in der Hand hält, das sich den klingenden Namen Nordzucker gegeben hat. 500 gr heißt das Album, und die neun Titel sind folgerichtig je nach Spieldauer in Grammzahlen zwischen „89gr“ und „34gr“ gewichtet: in der Summe ein solides Pfund spannender Interaktionen dreier MusikerInnen, das am Dienstag im Westwerk der Öffentlichkeit vorgestellt werden soll.
Die Trompeterin Birgit Ulher sucht – neben ihren Solo-Performances – immer wieder die Zusammenarbeit mit KollegInnen. Ihre Musik funktioniert wie ein Gespräch, ein Austausch unter Freunden, die sich viel zu erzählen haben. Mit dem Saxophonisten Lars Scherzberg und dem Cellisten Michael Maierhof hat Ulher so seit 2004 eine Klangsprache gefunden, die zum aufmerksamen Hinhören einlädt.
Als Trio Nordzucker beweisen sie im Übrigen den Mut zur Pause, zum leisen Ton an der Grenze zum Geräusch – und erweitern das Klangspektrum ihrer Instrumente mit Wäscheklammern, Metallobjekten, Dämpfern: Hier ergeben sich etliche Freiräume für Überraschungen.
Die zweite Hälfte des CD-Release-Konzerts bestreitet Birgit Ulher im Duo mit dem kalifornischen Schlagzeuger Gino Robair, den sie im vergangenen Jahr auf ihrer US-Tour traf. In Oakland nahmen sie im November 2004 das hörenswerte Album Sputter auf. Wie 500 gr erschien auch diese CD beim portugiesischen Label Creative Sources Recordings. Robair, der sonst mit Anthony Braxton, John Zorn oder auch Tom Waits arbeitet, beschränkt sich nicht auf ein Schlagzeug, zu dem auch Zinkwannen gehören können und das er manchmal auch mit eBows – eigentlich eine elektromagnetische Spielhilfe für Gitarristen – zum Schwingen bringt. Analoge Synthesizermodule steigen mit sattem Knuspern in den Dialog mit der mitunter ächzenden, dann wieder satt blubbernden Trompete ein.
Der Hamburger CD-Release liegt für Gino Robair auf dem Weg nach Berlin, wo er am kommenden Wochenende mit dem britischen Saxophonisten John Butcher auftreten wird. Nicht nur in dieser Hinsicht passt der Werbe-Slogan der Zucker-Hersteller wie bestellt: „Wir machen mehr daraus.“
Tobias Richtsteig
Di, 1. 11., 21 Uhr, Westwerk, Admiralitätstr. 74 www.creativesourcesrec.com