Wetter und Krankheiten: Temperatursturz löst Schlaganfall aus

An Tagen mit extremer Temperaturänderung gibt es vermehrt Schlaganfälle. Jenaer Mediziner gingen der Frage nach, warum das so ist.

Am nächtlichen Himmel ist ein Blitz zu sehen.

Bei Risikopatienten kann ein Temperatursturz einen Schlaganfall auslösen. Foto: dpa

BERLIN taz | „Na, das wird heute ja mal wieder ein Schlaganfalltag!“ Als Florian Rakers vor wenigen Jahren als junger Neurologe in der Notaufnahme der Universitätsklinikum Jena eingesetzt wurde, hörte er gestandene ÄrztInnen und PflegerInnen häufig so klagen, wenn sie bei Dienstantritt aus der frischen Luft kamen. Tatsächlich trafen dann regelmäßig mehr PatientInnen mit Schlaganfällen ein.

Als Exstipendiat der Böll-Stiftung interessierte sich Rakers für Zusammenhänge zwischen Gesundheit und Klimawandel und fragte sich, ob man das Offensichtliche nicht wissenschaftlich beweisen könne. Auch seine Jenaer KollegInnen waren dafür.

Im Juli dieses Jahres veröffentlichte das European Journal of Epidemiology die Ergebnisse ihrer Studie mit 1.694 SchlaganfallpatientInnen: „Rapid weather changes are associated with increased ischemic stroke risk: a case-crossover study“. Ihr zufolge erhöht sich bei schnellem Absinken der Tagesdurchschnittstemperatur binnen 24 Stunden um etwa 3 Grad Celsius die Wahrscheinlichkeit eines Schlaganfalls um 11 Prozent, bei RisikopatientInnen bis zu 30 Prozent.

Zu dieser Gruppe gehören Personen, die schon einmal einen Herzinfarkt hatten, die rauchen, unter Diabetes oder Bluthochdruck leiden sowie Menschen mit Vorhofflimmern, also einer bestimmten Art von Herzrhythmusstörungen. Dazu kommen generell Leute über sechzig.

Erhöhtes Risiko

„Wir wussten seit Langem, wer ein erhöhtes Risiko für Schlaganfall hatte“, sagt Rakers: „Aber wir wussten nicht: Warum kam es gerade heute dazu und nicht vor zehn Tagen? Und ein großer Temperatursturz sowie das Wetter insgesamt sind da die Tropfen, die das Fass zum Überlaufen bringen.“

Wie das funktioniert? „Wir sind angepasst an eine bestimmte Umgebungstemperatur“, erklärt der Epidemiologe. „Und wenn dann akut etwas passiert, versucht der Körper gegenzusteuern. Bei einem Temperaturabfall ziehen sich Gefäße zusammen, um Wärme im Körper zu speichern.“

Besonders riskant wird es, wenn ein akuter Abfall der Außentemperatur ein Vorhofflimmern des Herzens auslöst. Dabei bilden sich Blutgerinnsel im Herzen, die dann ins Gehirn wandern und dort die Arterien verstopfen. Nun ist es den Betroffenen kaum zuzumuten, bei jedem Klimawechsel tagelang in der geheizten Wohnung zu bleiben.

Extreme Veränderungen

„Nein“, gibt Rakers zu. „Außerdem entgehen sie damit noch nicht extremen Veränderungen des Luftdrucks und der Luftfeuchtigkeit.“ Egal ob nach oben oder unten, solche Wechsel erhöhen der Studie zufolge das Risiko ebenfalls.

Was also tun? „Das Wetter können wir nicht ändern“, warnt der Epidemiologe. „Aber wenn wir wissen, dass wir bei einer bestimmten Wetterlage ein erhöhtes Schlaganfallrisiko haben, sollten wir auf frühe Signale achten. Auf die Frage in der Notaufnahme: ‚Seit wann können Sie den Arm denn nicht mehr bewegen?‘ – bekomme ich oft zur Antwort: ‚Schon seit drei Tagen, aber ich dachte, das geht wieder weg!‘ – Eben dies war ein übersehenes Warnsignal!“

Das Tückische: Ein Schlaganfall tut erst mal nicht weh. Häufig kündigt er sich durch Taubheit oder einseitigen Lähmung im Arm oder im Bein an, aber auch durch Sprech- und Verständnisstörungen oder durch plötzlich auftretenden Schwindel. Bei solchen Anzeichen sollte man nicht zögern, den Notarzt zu rufen. Besser einmal zu viel als zu wenig.

Als seine „Vision“ bezeichnet Rakers eine Schlaganfall-Wetterkarte im Fernsehen: „Viele Sender zeigen ja das Biowetter. Diese Angaben sind in den meisten Fällen nicht wissenschaftlich fundiert. Aber eine Schlaganfall-Wetterkarte könnten wir schon heute erstellen.“

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