Asylrecht Nach dem Koalitionsgipfel beansprucht jede der drei Regierungsparteien einen Erfolg für sich
: Überall Gewinner

Nur die Asylbewerber verlieren Foto: Paul Zinken/dpa

aus Berlin Tobias Schulze

Am Tag nach dem Koalitionsgipfel kämpfen die Beteiligten um die Deutungshoheit. Wer hat sich eigentlich durchgesetzt, als sich die Spitzen der Regierungsparteien am Donnerstag auf neue Maßnahmen in der Flüchtlingspolitik einigten? Die Kanzlerin, der SPD-Vorsitzende oder doch der CSU-Chef?

„Wir haben jetzt zur Begrenzung der Flüchtlingszahlen die schärfsten Regeln, die es jemals in unserem Land gab – mit Zustimmung der SPD!“, sagte Horst Seehofer am Freitag in der ARD. Der bayerische Ministerpräsident meint das nicht als Vorwurf. Er verkauft die Einigung als Triumph. Die Transitzonen an den Landesgrenzen, die die CSU vor dem Koalitionsgipfel gefordert hatte, werden zwar nicht errichtet. Trotzdem gibt sich Seehofer zufrieden.

Eine neue Umfrage der ARD könnte ihn darin bestärken. Ihr zufolge reichen die Beliebtheitswerte des CSU-Chefs inzwischen fast an die der Kanzlerin ran. Eine Wende, die das Selbstbewusstsein stärkt: Trotz der Einigung am Donnerstag verkündete Seehofer am Freitag, sich immer noch vorzubehalten, gegen die Flüchtlingspolitik des Bundes zu klagen. Mit Blick auf das Asylrecht sagte er: „Wir sind noch nicht am Ende aller Überlegungen.“

Seehofer ist allerdings nicht der Einzige, der die Ergebnisse des Gipfels als Erfolg vermarktet. Angela Merkel sprach bereits unmittelbar nach dem Termin am Donnerstagabend von einem „guten, wichtigen Schritt“. Von ihrem Slogan („Wir schaffen das“) rückte sie ebenfalls nicht ab. Sie passte nur die Formulierung an. „Vor uns steht ein weiteres Stück Arbeit und wir machen das alle in dem Geist, dass wir die Voraussetzungen dafür schaffen, dass wir es auch schaffen können und wollen“, sagte sie, als sie nach dem Gipfel mit den beiden anderen Parteichefs vor die Presse trat.

„Wir haben jetzt zur Begrenzung der Flüchtlingszahlen die schärfsten Regeln, die es jemals in ­unserem Land gab“

CSU-Chef Horst Seehofer

Und die SPD? Wenig überraschend beanspruchen auch die Sozialdemokraten einen Erfolg für sich. „Ich bin dankbar, dass wir keine komplizierten Wege über das Landgrenzenverfahren oder exterritoriale Zonen brauchen“, sagte Vizekanzler Gabriel. Im Klartext: Er möchte betonen, dass die Sozialdemokraten die CSU-Idee der sogenannten Transitzonen verhindert haben. Stattdessen will die Bundesregierung nun sogenannte „besondere Aufnahme-Einrichtungen“ einführen, in denen Asylbewerber, die vermutlich kein Bleiberecht bekommen, in einem beschleunigten Verfahren abgefertigt werden.

Nennenswerten Widerspruch erhielt Gabriel aus seiner Partei nicht. Details der Asylrechtsverschärfung stoßen in der SPD dennoch auf Kritik. Sowohl Vizeparteichef Ralf Stegner als auch die NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft kritisierten beispielsweise, dass der Familiennachzug für bestimmte Flüchtlinge ausgesetzt wird. Kraft sagte, ihr erschließe sich die „Sinnhaftigkeit“ dieser Regelung nicht, da diese ohnehin nur eine kleine Gruppe betreffe. Deutlichere Kritik äußerte die Opposition. Linkspartei-Chef Bernd Riexinger sagte: „Auf Teufel komm raus soll abgeschoben werden, damit wird das Asylrecht weiter geschliffen.“ Sein Parteifreund, der thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow, kritisierte die Einigung ebenfalls. Ähnlich wie andere Ländervertreter forderte er mehr Geld für Länder und Kommunen, mehr Personal in den zuständigen Behörden und schnellere Asylverfahren. Differenziertere Töne kommen von den Grünen. Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sagte, der Kompromiss löse keine Probleme und helfe ausschließlich den Koalitionsparteien. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann dagegen bezeichnete sich zwar „sehr skeptisch“ gegenüber Punkten wie der Aussetzung des Familiennachzugs. Er sagte aber auch: „Es gilt abzuwarten, was letztlich im Gesetz steht, dann können wir das präzise bewerten.“

Kein Wunder, dass sich Kretschmann noch nicht festlegt: Bis zum Jahresende will die Bundesregierung die Beschlüsse in ein Gesetz umwandeln. Neben dem Bundestag müsste dann auch der Bundesrat zustimmen. Und das, während die Grünen in Baden-Württemberg um ihre Wiederwahl kämpfen.