: Europa, deine Drogen
DraufDresden nimmt Crystal, Dortmund kokst. Was uns das Abwasser verrät – und was nicht
Amsterdam ist Europas Drogenhauptstadt. Hier wird nicht nur viel gekifft. Auch bei MDMA, das pur oder als Wirkstoff von Ecstasy konsumiert wird, und auch bei Kokain ist die Stadt neben London Spitzenreiterin.
Überraschender sind die Werte aber für andere Städte. So ist Oslo, die reiche Hauptstadt Norwegens, eine Hochburg für Methamphetamin, der Wirkstoff der Droge Crystal Meth. Bislang war das Land nicht bekannt für seinen Drogenkonsum. Und in der finnischen Stadt Lahti fanden die Forscher einen der höchsten Werte für Amphetamine.
Jetzt aber wird es kompliziert. Die Forscher können nämlich nicht die Konzentration der eigentlichen Drogen messen, sondern das, was von ihnen übrigbleibt.
Sie messen die Abbauprodukte, die über Schweiß, Urin und Fäkalien ausgeschieden werden. Um vom Abbauprodukt auf die Menge der konsumierten Drogen zu schließen, braucht man etwas Mathematik.
Abwasserforscher Christoph Ort rechnet das am Beispiel des Kokainkonsums in Berlin vor. Die 191,7 mg des Abbauprodukts Benzoylecgonin pro 1.000 Einwohner und Tag entsprächen einem Konsum von etwa 0,7 g Kokain. Hochgerechnet auf das Einzugsgebiet der untersuchten Klärwerke, etwa 3,55 Millionen Personen, sind das 2,4 Kilogramm reines Kokain – täglich.
Für andere Drogen ist das Verhältnis von Abbauprodukten zum konsumierten Stoff wieder anders. Trotzdem zeigt die Grafik deutlich, welche Drogen in welcher Stadt konsumiert werden.
Die Analyse des Abwassers ermöglicht noch mehr. Ort und seine Kollegen können messen, wie sich der Drogenkonsum innerhalb einer Woche verändert. Das Beispiel Dortmund zeigt, dass von Dienstag bis Donnerstag mehr Kokain konsumiert wird als am Freitag und Sonntag.
Ist Kokain in Dortmund also eine Arbeits- und keine Partydroge? Der Schluss liegt nahe, doch bei der Interpretation muss man aufpassen: Bis das Kokain im Klärwerk ankommt, muss es vom Körper verarbeitet und ausgeschieden werden und anschließend durch die Kanalisation. Im Urin sind Drogen direkt oder nach wenige Stunden nach der Einnahme nachweisbar. In Berlin fließt das Wasser je nach Entfernung zum Klärwerk drei bis sechs Stunden.
In Deutschland nahmen neben Dortmund und Berlin auch München, Dresden und die Kleinstadt Dülmen an der Studie teil.Kersten Augustin
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