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Archiv-Artikel

Bühne frei für Theaterfrauen

Eine Tagung in Düsseldorf beschäftigte sich mit der Frage, warum Frauen im Theater immer noch benachteiligt sind

Ist das Theater die letzte intakte Männer-dominierte Institution unserer Gesellschaft? Beschaut man seine innere Struktur und die Allmacht der Intendantenposition, möchte man zustimmen. Lässt man den Blick jedoch durch die Republik schweifen, drängt sich die Frage auf, wie wackelig die Patriarchen-Throne tatsächlich sind und wie relevant die Diskussion über Theater-interne Mechanismen in Zeiten ist, in denen das Theater selbst zur Debatte steht. Zum Beispiel in Städten wie Bremen, wo der Intendant der dortigen Bühne derzeit in beispielloser Weise von der Politik vorgeführt wird.

Ein Hearing im Düsseldorfer Schauspielhaus zur „Standortbestimmung der Theaterfrauen“ am vergangenen Freitag erhellte jedoch alsbald, dass die Diskussion über das reine Theaterthema hinausgehen würde, und um das klassische Frauenthema und seine Spielarten im Theater kreisen sollte. Frauen arbeiten im Theater an der Basis und im Mittelbau, in Führungspositionen sind sie rar gesät. Der Anteil der Intendantinnen liegt zwischen 14 und 18, an großen Bühnen gar nur bei mickrigen drei Prozent. Was also läuft schief an deutschen Bühnen? Dazu befragte Moderatorin Randi Crott Theaterfrauen unterschiedlicher Profession und Karrierestellung: frei arbeitende Kreative, Frauen, die es bereits in Führungspositionen geschafft haben und solche, die es noch vorhaben.

Der Ort der Tagung war mit Bedacht gewählt: Im Düsseldorfer Schauspielhaus sitzt mit Anna Badora seit 1996 eine Frau im Chefsessel einer der größten Sprechtheaterbühnen der Republik. In der nächsten Spielzeit wird ihr Amelie Niermeyer nachfolgen, die bis vor Kurzem das Theater Freiburg leitete. Für Badora besteht der Unterschied zwischen männlichem und weiblichem Führungsstil vor allem darin, dass Männer eher ergebnisorientiert arbeiten würden, wohingegen Frauen ihr Augenmerk mehr auf den Prozess legen. Sanfte Kritik. Aus der Runde der „Freien“ kamen da schon schärfere Töne: Von männlichem Aggressionspotenzial war die Rede, von schlechten Manieren, Schreikultur und ritualisierten Gesten des Durchgreifens. Das männlich vordefinierte System könne man allenfalls durch atmosphärische Veränderungen unterwandern, oder aber sich den Machtspielen konsequent entziehen. Die weibliche Liebe zum Inhalt werde vom männlichem Machtwillen behindert, sagte eine Ex-Dramaturgin aus dem Publikum.

Doch erklärt das schon, warum so wenige Frauen oben ankommen? Der einzige Mann auf dem Podium, der Dresdner Intendant und Vorsitzende der Intendantengruppe des Bühnenvereins, Holk Freytag, verblüffte mit der Beobachtung, dass sich Frauen kaum auf Intendantenstellen bewerben würden, der Anteil sei verschwindend gering. Also mangelndes Selbstbewusstsein? Womöglich noch schlimmer: Ulrike Haß, Theaterwissenschaftlerin von der Ruhr-Universität Bochum, vermutete ein Generationenproblem. Im Studium seien die Frauen den Männern weit überlegen, da Männer in diesem Alter massive Selbstbehauptungsprobleme durchlebten. Beim Start ins Berufsleben hätten Männer diesen Prozess allerdings bereits abgeschlossen, während für Frauen die Probleme erst anfingen. Misshandlungen, unter denen Mädchen noch immer häufiger leiden als Jungen, kämen in der Regel bei erwachsenden Frauen ab 30 wieder hoch. Eine sichere Karrierebremse – so können Männer, gefördert durch männliche Seilschaften, an Frauen vorbeiziehen.

Schlechte Aussichten im Teufelskreis der Geschlechterdifferenz? Eine Lösung jenseits von Durchhalteparolen und Aufrufen zur Netzwerkbildung hatte jedenfalls niemand parat, Hoffnung machten lediglich die jüngsten Frauen, die zwischen Pragmatismus und Bodenständigkeit vielleicht einen neuen, unverkrampften Weg im Theater finden werden. So es das demnächst überhaupt noch gibt.

REGINE MÜLLER