: Der gute Mannaus Hannover
Der Konkurrent Michael Klintschar gilt als der Hering im Haifischbecken der Rechtsmediziner
Der Chef des Instituts für Rechtsmedizin an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH), Michael Klintschar, legt großen Wert auf Sachlichkeit. Deshalb muss das Aufnahmegerät nun ausgestellt werden. „Schalten Sie mal“, sagt er in leicht steirisch gefärbten Tonfall, „kurz das Ding ab“. Damit er sich echauffieren kann über die Praxis mancher Vertreter seiner Zunft, die zweifelhafte Verfahren anwenden, bis sie, wie die gewaltsame Brechmittelvergabe zur Beweissicherung, als menschenrechtswidrig verboten werden.
Seinen Zorn will er nicht auf Band haben. Dabei wäre das so sympathisch: Ein Mensch, ein Arzt, ein Rechtsmediziner, der sich für ethische Grundsätze in Rage redet. Klintschar sei ein wenig „der Hering im Haifischbecken“, war man gewarnt worden, „zu gut für diese Welt“: Es hat lange gedauert, bis er sich dagegen gewehrt hat, dass Bremens Gesundheitsbehörde die Hamburger Konkurrenz sozusagen mit ihren Leichen und exklusivem Zugriff auf ihre technisch-räumliche Infrastruktur versorgt.
„Ich akzeptiere jede Zurücksetzung aus fachlichen Gründen oder im Rahmen eines demokratischen Verfahrens bei Chancengleichheit“, hat er sich bei der Senatorin Eva Quante-Brandt über die Intransparenz des Auswahlverfahrens beschwert. „Nicht leben könnte ich mit dem Gefühl, Opfer eines Ränkespiels geworden zu sein, das weder Bremen noch der Rechtsmedizin in Niedersachsen nützt.“ Derzeit müsse er jedoch denken, „dass der Entscheidung keine Sachgründe zugrunde liegen“. Keine Sachgründe – kann es etwas schlimmeres geben?
Effekthascherei liegt dem 50-Jährigen nicht: Mit den großen Neuerungen, die unter Klintschars Direktorat in der MHH-Rechtsmedizin eingeführt wurden, prahlt er nicht. Etwa mit dem erfolgreichen Netzwerk „Pro Beweis“, in denen Betroffene anonym die Spuren häuslicher Gewalt und sexuellem Missbrauchs sichern lassen können.
Noch deutlicher war natürlich die Sache mit dem Schädel des Massenmörders Fritz Haarmann aus Hannover. 1924 wurde er enthauptet.
Sein in Formalin eingelegter Kopf war danach in die Sammlung der Rechtsmedizin der Göttinger Uni gelangt. Klintschar war dort vor seinem Wechsel nach Hannover Direktor. Als die Idee aufkam, das Schauerstück als Grusel-Attraktion in ein Wissenschaftsmuseum zu integrieren, schaltete sich der Österreicher in die Diskussion ein. Der Kopf wurde daraufhin kremiert und bestattet. In aller Stille. BES
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