: Schutzwall to go
Starschnitt I Es ist noch nicht lange her, da rissen wir Grenzzäune und Mauern voller Euphorie nieder und feierten die Einheit, die daraus erwuchs. Heute ist der Zaun, der trennt und draußen hält, wieder schwer im Kommen. Wir würdigen seine neue Popularität in fünf Teilen – und einem Aufruf zur prophylaktischen Bastelarbeit
von Helmut Höge
Laut Jean-Jacques Rousseau und Peter Sloterdijk beginnt das Eigentum mit dem ersten Menschen, der sagt, das ist meins – und den anderen, die akzeptieren, dass er einen Zaun zieht oder Grenzpfähle setzt. taz-Redakteur Christian Semler begleitete einmal eine deutsche Delegation nach Moldawien. Es ging dabei um organisatorisch-technische Hilfe bei der Sicherung der Grenze gegen Flüchtlinge, die in die EU wollten, wie er anschließend berichtete.
Im Gegensatz zu der wachsenden Zahl staatlicher Grenzsperren und Zäune werden die Einzäunungen auf der anderen Seite, also im Privaten, eher weniger. Das fing mit dem Verschwinden von Weidezäunen an, weil die Kühe fortan in Ställen gehalten wurden. Der ehemalige Waldarbeiter Peter Engstler erinnert sich, dass sie früher oft Zaunpfähle hergestellt hatten: „aber ungern, denn die bringen nichts, weil sie so dünn sind und man so lange braucht, bis man einen Raummeter zusammen hatte, nach dem wir bezahlt wurden. Bei dem wenigen noch heute eingezäunten Vieh nimmt man meistens Pfähle aus Plastik oder Metall.“
Die Reduzierung der Privatzäune hat inzwischen auch Vorgärten und Schrebergärten erfasst, insofern man dabei eher Hecken bevorzugt. In Polen werden die Schrebergärten mitunter weder mit dem einen noch mit dem anderen getrennt. In einigen Regionen Deutschlands gibt es dagegen staatliche Zuschüsse, wenn die Bürger sich dort beim Abgrenzen ihres Grundbesitzes von dem ihrer Nachbarn oder vom Gehweg regionaltypischer Zäune bedienen – in Norddeutschland zum Beispiel für den „Friesenzaun“ und in der bayerischen Rhön für den „Fränkischen Gartenzaun“.
Fortsetzung folgt morgen
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