: „Alle sollten Verantwortung tragen“
ABKOMMEN Die Unterscheidung zwischen Industrie- und Entwicklungsländern ist das größte Hindernis für einen Fortschritt, sagt Robert Stavins. Stattdessen müsse nach gemeinsamen Prinzipien gesucht werden
■ ist Professor für Business and Government an der Harvard-Universität in Boston. Dort leitet er das internationale und interdisziplinäre „Harvard Project on International Climate Agreements“.
taz: Herr Stavins, Sie halten das Kioto-Protokoll für unfair. Warum?
Stavins: Es kommt darauf an, was man fair nennt. Manche Länder sagen, fair ist, was die historischen Emissionen einbezieht, andere sagen, fair ist, was die momentanen und zukünftigen Emissionen berücksichtigt. Es gibt also weltweit keinen Konsens, ob Kioto fair ist. Dazu kommt, dass das Abkommen die Welt von vor zwanzig Jahren abbildet. Heute gibt es 50 oder 60 Länder, die keine Reduktionsverpflichtungen haben, obwohl sie ein höheres Pro-Kopf-Einkommen haben als die ärmsten Annex-I-Länder, also Staaten mit der Auflage, ihre Emissionen zu reduzieren. Auch das fordert das Konzept der Fairness heraus.
Ihrer Meinung nach müssen wir eher aus den Fehlern als aus den Erfolgen von Kioto lernen.
Besser, als das Kioto-Protokoll als perfekt zu verteidigen, ist es sicher, auf die Fehler zu schauen und zu sagen, wie können wir es verbessern. Alle sind sich einig, Kioto war ein erster Schritt, egal, ob sie ihn gut oder schlecht finden. Und alle sind sich einig, wir brauchen einen zweiten Schritt, egal, ob der jetzt viel mit dem Kioto-Protokoll zu tun hat.
Wie könnte der Weg zu seiner solchen Einigung aussehen?
Man muss die Sprache überwinden, „für oder gegen Kioto“. Das bringt nur Probleme. Schon jetzt wird ja in zwei verschiedenen Gruppen verhandelt, die Kioto-Staaten und die anderen. Wir sollten Brücken bauen und nach Prinzipien suchen, denen alle zustimmen können. Zum Beispiel: Alle Staaten sollten Verantwortung tragen, und zwar für historische, jetzige und zukünftige Emissionen.
Die Unterscheidung in Industrie- und Entwicklungsländer wäre aufgehoben.
Und genau die ist das Problem. Wer kein Annex-I-Staat ist, weigert sich, über eine Veränderung des Status quo auch nur zu reden. Denn unter dem jetzigen Regime trägt er keine Verantwortung. Das ist im Moment das größte Hindernis für einen Fortschritt.
Sie haben errechnet, dass Länder vor Klimaschutz zurückschrecken, wenn sie mehr als 5 Prozent ihres BIPs dafür bezahlen müssen.
Wenn es mehr kostet, fangen manche Länder an, das Abkommen zu verlassen. Das gefährdet die ganze Architektur. Also müssen wir die Kosten senken. Eine der Lehren aus Kioto ist: Es reicht nicht, wenn Länder ein Abkommen unterzeichnen, sie müssen es auch zu Hause durch den Politikprozess bekommen. Daran ist Kioto in den USA gescheitert. Es reicht auch nicht, das Abkommen zu ratifizieren, Sie müssen es auch zu Hause umsetzen. Kanada hat Kioto unterzeichnet und ratifiziert – und verpasst seine Ziele um 25 Prozentpunkte. Es reicht auch nicht, die großen, schnell wachsenden Volkswirtschaften wie China, Indien oder Brasilien auszuklammern, denn dann steigen die Emissionen weiter. Das sind die Lehren der Vergangenheit.
Was sagen Sie zur Zukunft?
Wir sollten weniger darauf achten, was in Kopenhagen passiert, und mehr darauf, wie wir eine solide langfristige Basis für den Klimaschutz hinbekommen. Viele denken, dass wir das Problem jetzt in Kopenhagen oder nächstes Jahr in Mexiko lösen und dann können wir nach Hause gehen. Ich sehe das eher wie Verhandlungen zu internationalen Handelsfragen. Niemand denkt da, es könne bei einer Konferenz ein Ergebnis geben, das weiteres jahrelanges Verhandeln überflüssig machen könnte. Mit dem Klima wird es das Gleiche sein, das Thema wird uns erhalten bleiben.
INTERVIEW: BERNHARD PÖTTER