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Buddha nach Europa verschifft

JAPANMODE Mit der Ausstellung „Le bouddhisme de Madame Butterfly“ fragt das Ethnographische Museum Genf, inwieweit im Zuge der Japan-Begeisterung im Fin de Siècle auch der Buddhismus rezipiert wurde

von Ronald Berg

War Madame Butterfly eine Buddhistin? Ja, natürlich. Puccinis Oper thematisiert auch die kulturelle Differenz von Japan und dem Westen, die sich mit dem Buddhismus verbindet: Ein Amerikaner heiratet eine Japanerin, die deshalb zum Christentum konvertiert. Von ihrer japanischen Wurzel abgeschnitten und schließlich auch noch vom Gatten betrogen und verraten, endet Butterfly im Selbstmord.

Puccinis Oper zeigt allerdings nur eine Facette der europäischen Japan-Mode, die unter dem Begriff Japonismus Kunstgeschichte machte. Dabei wurde der japanische Buddhismus im Europa des Fin de Siècle weitgehend verkannt.

Das Musée d’ethnographie de Genève (MEG) blickt nun in einer Ausstellung mit dem Titel „Le bouddhisme de Madame Butterfly“ auf die Anfänge der Wechselbeziehung zwischen Japan und Europa zurück. Es geht um die Zeit zwischen 1853, als erstmals amerikanische Kriegsschiffe unter Kommodore Matthew C. Perry in der Bucht von Tokio auftauchten, und der Uraufführung von Puccinis „Butterfly“ im Jahre 1904. Perry zwang die seit zweieinhalb Jahrhunderten in selbstgewählter Isolation lebenden Japaner, sich dem Westen zu öffnen.

Japan wurde aber nicht nur Handelsplatz, sondern auch Reiseziel für viele bildungsbürgerliche Europäer. Die betuchten Touristen brachten erstmals buddhistische Kunstobjekte nach Europa, darunter viele, die zu Beginn der Meiji-Zeit (1868–1912) aus Klöstern geplündert worden waren.

Allerdings spielte der Buddhismus japanischer Prägung und seine Kunst beim sogenannten Japonismus, wie er ab den 1870er Jahren in Europa in Mode kam und bei vielen Künstlern geradezu zur Manie wurde, kaum eine Rolle. Vor allem wohl deshalb nicht, weil die Religion viel zu komplex war, dass man sie ohne Weiteres hätte verstehen können. Der buddhistische Pantheon mit seinen vielen ­Bodhisattvas ist undurchschaubar vielfältig und die verschiedenen buddhistischen Schulen haben zudem je eigene Anschauungen von der Lehre. Und dann gibt es da noch die verwirrende Vermischung des Buddhismus mit dem japanischen Nationalkult des Shinto.

So galt die Begeisterung für die japanischen Holzschnitte – etwa von Hokusai –, die für Jugendstil und Art nouveau wegweisend werden sollten, einem Genre, das in Japan als billige Unterhaltungskunst verstanden wurde. Für die Japaner gehörten diese „Bilder der fließenden Welt“ (ukiyo-e) zu einer profanen Sphäre, oft einem Tingeltangel der Halbwelt, die dem Buddhisten gerade als die zu überwindende Welt des Leidens erscheinen musste.

Mit dieser ersten missverständlichen Begegnung zwischen Japan und Europa eröffnet die Ausstellung in Genf. Sie zeigt auch erste Eindrücke der Europäer in Japan selbst, wie die Skizzen des Genfer Malers Alfred Etienne Dumont, der auf seiner Weltreise 1891 in Japan Station machte. Das Bild Japans im Westen wurde allerdings bald dominiert von Exportwaren nach europäischem Geschmack. In Genf sieht man dazu mannshohe Boden­vasen oder den auf einem Porzellan­rind reitenden Mönch. Der Markt wurde mit derlei Nippon-­Nippes überschwemmt und brach schließlich zusammen. Nach 1900 befriedigt dann die Neger-Plastik das Bedürfnis nach Exotik. Zugleich erlischt auch das Interesse an der Spiritualität des Ostens, das sich einst mit den nach Europa verschifften Buddha-Statuen verband.

In der Folge kümmern sich nur noch Spezialisten um die buddhistische Kunst Japans. Wissenschaftler machen sich daran, den buddhistischen Pantheon erst mal zu systematisieren, Handbücher erscheinen, die vorhandenen Museums‑ und Privatsammlungen werden beforscht und katalogisiert. Die diversen Publikationen dazu sind in Genf ausgestellt.

Die gottlose Religion wartet hier mit einer Unzahl von Heilsfiguren, Dämonen und Inkarnationen auf

Trotzdem wird es dem Laien schwerfallen, die vielen großartigen, aus eigenen Beständen wie aus europäischen Museen zusammengetragenen Kunstwerke im Zentrum der Genfer Ausstellung mit ihrer Vielzahl von Symbolen und Figuren, ob in einem Hausaltar oder als Applikation auf einer Samurai-Rüstung in ihrer religiösen Bedeutung zu entschlüsseln. Die auf einem Drachen reitende Inkarnation der Barmherzigkeit auf dem Brustpanzer eines Samurai sieht für uns eher chinesisch aus. Was nicht ganz falsch ist, kam der Buddhismus als Lehre wie in seinem künstlerischen Ausdruck ja über China (und Korea) nach Japan und wurde hier im Jahre 552 offiziell Staatsreligion.

Die Mehrzahl der ausgestellten Kunstwerke widerspricht zudem dem hiesigen Klischeebild von der puristischen Ästhetik des traditionellen Japans. In Genf geht es eher bunt und barock zu. Ja die gottlose Religion wartet hier mit einer Unzahl von Heilsfiguren, Dämonen und Inkarnationen auf, darunter die Gnadenfigur des Amidha-Buddha, die – ähnlich wie im Christentum – Erlösung in einem Jenseits verheißt, wenn man nur genug zu ihrem vergoldenden Bildnis betet. Es gibt sogar so etwas wie eine Ikone: Ein buddhistischer Patriarch schickte ein im westlichen Stil gemaltes Porträt als Stellvertreter seiner selbst auf eine Tour durch die Klöster und ersparte sich so, die Reise selbst antreten zu müssen.

Anlass für die aktuelle Schau in Genf war übrigens das Projekt einer umfassenden Inventarisierung aller japanisch-buddhistischer Kunst in europäischen Sammlungen, an dem sich auch das MEG beteiligt. Tatsächlich ist der Buddhismus heutzutage in Europa durchaus präsent, und das nicht allein im Museum, sondern vor allem als Seelenhilfe in allen Lebenslagen. Der Dalai-Lama als Promistar und Bestseller­autor konkurriert dabei mit europäischen Ablegern der japanischer Zen-Sekten.

Da überrascht die Genfer Ausstellung, die diese selektive Wahrnehmung des Landes und seiner Kultur im Westen deutlich kontrastiert, aufs Schönste.

Bis 10. Januar, Musée ­d’ethnographie de Genève, ­Katalog in frz. Sprache, 39 CHF; www.meg-geneve.ch

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