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Doppelter Dreck? Kein Problem!

Autoabgase Auch im neuen Testverfahren auf der Straße will die Europäische Union starke Abweichungen vom vorgegebenen Grenzwert erlauben – auf Druck Deutschlands

Man könne nur umsetzen, „was technologisch möglich ist“, sagt Hendricks

Aus Brüssel Eric Bonse

Die Entscheidung fiel hinter geschlossenen Türen, in einer selbst für EU-Diplomaten unzugänglichen Expertenrunde nach dem sogenannten Komitologieverfahren. Sie sollte zeigen, dass Europa Lehren aus dem Betrugsskandal bei Volkswagen gezogen hat.

Doch was am Mittwoch nach dem Treffen in Brüssel durchsickerte, sieht nicht nach einem Kurswechsel aus: Die Abgastests für Diesel-Pkws werden künftig zwar unter realen Straßenbedingungen durchgeführt – und nicht mehr nur im Labor, wie bisher. Doch dabei werden starke Abweichungen von den Labor­grenz­wer­ten erlaubt. Nach Angaben der Grünen werden Autos bis 2019 im realen Betrieb noch 168 Milligramm Stick­oxid pro Kilometer ausstoßen dürfen – mehr als doppelt so viel wie die im Gesetz vorgesehenen 80 Milligramm. Auch nach 2019 soll eine Überschreitung um 50 Prozent erlaubt sein.

Damit hat sich die deutsche Bundesregierung durchgesetzt, die die Interessen der Autoindustrie traditionell besonders vehement vertritt. Zuletzt hatte sich sogar Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) für eine deutliche Überschreitung der offiziellen Grenzwerte auch nach 2019 ausgesprochen. Es gehe „nicht darum, Industrie zu schützen, sondern wir müssen umsetzen, was technologisch möglich ist“, sagte sie dem Deutschlandfunk. Was das konkret bedeutet, ließ Hendricks offen. Auch die deutschen EU-Vertreter hielten sich nach außen bedeckt.

Zwar will auch die Brüsseler Behörde Abweichungen von den Grenzwerten zulassen, allerdings viel geringere als nun beschlossen. Der Vorschlag der EU-Kommission sieht zwei­jäh­rige Übergangsfristen mit Abweichungen um 60 Prozent vor, danach wäre nur noch ein vergleichsweise kleiner Unterschied erlaubt.

Hinter den Vorschlag aus Brüssel hatte sich am Dienstag das Europaparlament in Straßburg gestellt. Allerdings konnten sich die Abgeordneten nicht auf die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur VW-Affäre einigen. Diese hatten die Grünen, liberale und linke Abgeordnete in einer seltenen Allianz gefordert. Der Vorstoß wurde jedoch von der großen Koalition aus Konservativen und Sozialdemokraten abgeschmettert.

Dass nun auch noch die neuen Abgastests aufgeweicht werden sollen, quittieren die Grünen mit Unverständnis. „Diese Entscheidung zeigt, dass die Interessen der Automobilindustrie offenbar nach wie vor mehr wiegen als der Schutz von Umwelt und Gesundheit in der Europäischen Union“, sagte Martin Häusling, der im Umweltausschuss sitzt.

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