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Energie aus dem obersten Stockwerk

Wohnen Studierende haben ein Fertig-Dachgeschoss entwickelt, das auf Altbauten passt und das ganze Haus mit Strom versorgt. Derzeit liegt es im Lager

Insgesamt finden auf dem Dach 70 Quadratmeter Photovoltaikzellen Platz, die beweglich sind Foto: Julian Christian

Berlins Dächer könnten in wenigen Jahren zu bewohnbaren Stromversorgern werden – zumindest nach einer Idee von Alessandro Jänicke. Der 29-Jährige hat zusammen mit einer Gruppe von fast 40 weiteren Studierenden der Technischen Universität (TU) und der Universität der Künste (UdK) ein Solar-Hausdach entwickelt, das das ganze Haus mit Energie versorgt und den Überschuss ins Stromnetz einspeist. Ungenutzte Dachstühle sollen nach dem Dachausbau-Modell „Rooftop“ so einfach in komfortable Wohnungen mit Mehrwert umgewandelt werden – ohne dass neue Grundflächen erschlossen werden müssen.

Das „Rooftop“ ist ein rechteckiges Holzhaus, dessen Dach und Außenwände aus acht Glasplatten besteht. Insgesamt finden so auf 70 Quadratmetern Photovoltaikzellen Platz. Die Module sind beweglich, funktionieren auch als Wärmedämmung und liefern im Durchschnitt dreimal so viel Energie, wie das Haus darunter benötigt. Die Wohnfläche beträgt 58 Quadratmeter; dort befinden sich Schlafzimmer, offenes Wohnzimmer und Küche. Der Rest ist Dachterrasse.

Die Studenten haben in ihrem Energiekonzept nicht nur auf Solarstrom gesetzt, sondern auf eine Kombination aus Dämmsystem und Mehrschichtfassade. Das soll für ein gutes Raumklima sorgen und zugleich Heizkosten sparen. Soll – denn derzeit liegt das Projekt wieder auf Eis oder besser gesagt: Seit einem Jahr sind die Bauteile des „Rooftops“ in der Peter-Behrens-Halle der TU im Wedding eingelagert.

In der Fertigungshalle am Humboldthain türmen sich die Holzbauteile mehr als zwei Meter hoch. Bis auf die Küche lässt sich wenig erkennen. „Das ist selbst gebaut und geschliffen“, sagt Jänicke, der Brille und Vollbart trägt. Der mittlerweile fertig studierte Architekt hat bereits Erfahrung im Hausbau in Sierra Leone gesammelt, als er mit anderen am Aufbau eines Ausbildungsbetriebs ­geholfen hat. Er streicht eine leichte Staubschicht von einer Bambusschublade, die halb mit einer grünen Plane und Klebeband bedeckt ist.

Bauteile wie bei Playmobil

Das Küchenelement, die großen Holzkonstruktionen – sie erinnern an Playmobil-Bauteile, an deren Seiten Muffen angebracht sind, um sie wieder zusammenstecken zu können. Aufgebaut war das Rooftop-Haus beim europäischen Solar-Decathlon im französischen Versailles vergangenes Jahr. Ein Wettbewerb, bei dem Studententeams aus aller Welt innerhalb von zwei Jahren ein Haus, das auf Solarenergie basiert, entwerfen und präsentieren.

Dafür war es ursprünglich auch gedacht gewesen: Jänicke hatte in seinem Erasmussemester in Barcelona von der Ausschreibung erfahren. Ein Team seiner Gastuniversität hatte daran teilgenommen. Fortan suchte er Mitstreiter für sein Studentenprojekt. Erste Entwürfe dazu gab es im Sommer 2012. Nachdem Sponsoren gefunden waren, die Webseite aufgesetzt und Pressematerialien vorbereitet, wandte sich die Gruppe von Studenten an die TU und UdK. Die Sorge, ein Vorhaben dieses Ausmaßes – die Projektsumme betrug rund eine Millionen Euro – könnte sofort abgelehnt werden, war letztlich zu groß.

Am Ende waren neben angehenden Architekten, Energieexperten und Designern auch Handwerker der Knobelsdorff-Schule im Einsatz. „Es gibt jeweils ein Bodenmodul, ein Deckenmodul und dazwischen Fensterrahmen auf beiden Seiten. Außen ist der Heberahmen mit der faltbaren Fassade, auf dem sind Solarmodule angebracht.“ Bei Wettbewerb erreichten sie immerhin den Vierten von 20 Plätzen.

Doch danach landete das Fertigdach indes in der Lagerhalle. „Interessenten gibt es immer wieder“, berichtet Jänicke. Aber viele würden sich einen Dachausbau durch ein studentisches Projekt leichter vorstellen. Die Kosten bei einer Serienfertigung schätzt er auf circa 250.000 Euro. Immerhin hat die TU nun beschlossen, das Rooftop auf ihrem Gelände in Charlottenburg wieder aufzubauen. Das haben die Studenten den guten Abschneiden im Wettbewerb und dem Einsatz von Christoph Nytsch-Geusen, Professor im Studiengang Architektur der UdK, zu verdanken.

Im nächsten Jahr soll es so weit sein. Dann will die Uni dort das Materialverhalten und die Kombination vom Wärmepumpen und Motoren, die für das Verstellen der Photovoltaikanlage zuständig sind, auf längere Zeit erforschen. Am Lehrstuhl sind bereits Seminare in Planung. Auch das Studententeam hat sich etwas einfallen lassen: „Wir gründen einen Verein“, sagt Jänicke. Sie haben vor, ihr wiederaufgebautes Rooftop zu nutzen, um anderen Studenten zu erklären, wie man ein freies Projekt an der Universität ansiedelt.

Natalie Mayroth

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