Die Super-Helden der Mets

World Series Heute Nacht wird das Spiel zwischen den Mets und den Kansas City Royals beginnen. Der Baseball-Klub aus New York baut auf ein außergewöhnliches Quartett von Ballwerfern

Die Mets-Pitcher Steven Matz, Jacob deGrom und Matt Harvey sowie ihr Catcher Travis d’Arnaud Foto: Julie Jacobson/ap

Von Thomas Winkler

Zuerst darf der Schwarze Ritter ran. Dann jemand, den sie ehrfürchtig DeGrominator nennen. Als Dritter steigt Thor auf den Wurfhügel. Erst zum Abschluss müssen die New York Mets auf einen Pitcher vertrauen, der noch ohne Spitzname ist: Steven Matz heißt schlicht und einfach Steven Matz.

Wenn heute Nacht die World Series zwischen den Mets und den Kansas City Royals beginnt, dann baut der Baseball-Klub aus der Metropole auf ein außergewöhnliches Quartett von Ballwerfern, die nicht umsonst Namen wie Comicfiguren tragen: Alle vier sind jung und mit einem solch starken Wurfarm gesegnet, auf den jeder Superheld stolz sein könnte. Egal ob der 26-jährige Matt „The Black Knight“ Harvey, der 27-jährige Jacob deGrom, der 23-jährige Noah „Thor“ Syndergaard oder der 24-jährige Steven Matz zum Einsatz kommen: Der Baseball hat jedes Mal gute Chancen, die Schallmauer von 100 Meilen pro Stunde zu durchbrechen. „Flame­thrower“ nennen sie in der Heimat des Baseball diesen Typus des Pitchers, der den Gegner mit schierem Tempo übertölpelt. Vier so begabte Flammenwerfer wie die Mets kann kein anderer Klub der Major ­League Baseball (MLB) aufbieten.

Heute, vor mehr als 40.000 Fans in Kansas City, wird Harvey versuchen, den ersten Sieg einzufahren. Insgesamt vier sind nötig, um nach 29 Jahren endlich wieder einmal die ­World-Series-Trophäe nach Queens zu holen, wo die Mets im Citi Field spielen. Es wäre erst der dritte für die Mets, während die Yankees, die in der Bronx, auf der anderen Seite des East River beheimateten großen Brüder, schon deren 27 angehäuft haben. Diesen Vorsprung werden die Mets vermutlich niemals aufholen, aber dank ihrer vier Comichelden sieht zumindest die nahe Zukunft rosig aus. Der eigentliche Vater des neuen Erfolgs aber ist kein Spieler, sondern ein Anlagebetrüger. Bernie Madoff war großer Mets-Fan, Besitzer einer Dauerkarte und gut Freund mit den Eigentümern des Klubs. Als Madoffs Machenschaften 2008 aufflogen, stellte sich heraus, dass auch die Mets an dem betrügerischen Investmentfonds beteiligt waren. Nachdem Madoff zu 150 Jahren Gefängnis verurteilt wurde, mussten auch die Mets 162 Millionen Dollar an Geschädigte zahlen.

Der Skandal führte zu einem geschäftlichen Umdenken im Verein. Vorher hatte man versucht, mit den Yankees zu konkurrieren, und ebenso großspurig, aber lange nicht so geschickt wie der Branchenprimus mit den Millionen um sich geworfen. Ein gewisser Bobby Bonilla zum Beispiel, der vor 16 Jahren zum letzten Mal für die Mets gespielt hat, bekommt noch bis 2039 alljährlich 1,2 Millionen Dollar überwiesen. Doch nach dem Madoff-Desaster wurde mit Sandy Alderson ein neuer Manager eingestellt, der bei den Oakland A’s über Jahrzehnte gelernt hatte, wie man mit wenig Geld großen Erfolg haben kann, und bei den Mets die finanzielle Vernunft einziehen ließ.

Der Vater des neuen Erfolgs aber ist kein Spieler, sondern ein Anlagebetrüger

Seit dem Paradigmenwechsel rangieren die Mets, was das Geldausgeben angeht, nur noch im unteren Mittelfeld der MLB. Gerade mal 101 Millionen zahlen sie an Spielergehältern, die Yankees dagegen mehr als das Doppelte – die Los Angeles Dodgers, die von den Mets im Viertelfinale ausgeschaltet wurden, gar 272 Millionen. „Wir sind glücklich, dass wir in der World Series stehen“, sagte Alderson nach dem Halbfinalerfolg mit 4:0 Siegen gegen die Chicago Cubs, „wir sind glücklich, so qualvoll der Weg auch war.“

Das Publikum liebt die neuen, bescheideneren Mets. Der Zuschauerschnitt stieg diese Saison um sieben Prozent, die besten Plätze für die World-Series-Spiele im Citi Field werden im Internet für bis zu 23.000 Dollar gehandelt.

Aber in Kansas City ist man ähnlich begeistert. Dort wartet man sogar noch länger, genau 30 Jahre nun, auf den Titel. Letzten Oktober war es fast so weit, erst in einem dramatischen siebten Spiel verlor man gegen San Francisco. „Im vergangenen Jahr waren wir aufgeregt, in der World Series zu stehen“, sagt Trainer Ned Yost, „in diesem Jahr haben wir es erwartet“. Es ist dieser Erfahrungsvorsprung, der die Royals zum leichten Favoriten macht gegen die womöglich noch etwas jungen Superhelden der Mets.