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Fortsetzung von Seite 41

Aber wie das gehen soll, darüber berät sich Bremens Gesundheitsbehörde bislang exklusiv mit Hamburg, wo, die Welt ist klein, Matthias Gruhl, der einst in Bremen die entscheidenden personellen Weichen für den Klinikskandal 2006 gestellt hatte, das Amt für Gesundheit leitet. Gleich zu Beginn der Reformüberlegungen, noch bevor klar war, was man wie genau wollte, hat man sich dafür entschieden, mit dem UKE zu kooperieren.

Also mit Püschel. Und mit Hamburg. Und gegen Niedersachsen. So sieht es wenigstens Klintschar in Hannover: „Die Hamburger Rechtsmedizin ist zu meinem Institut ein Wettbewerber“, erläutert er in einem Schreiben an seine Landesregierung. Klintschar sieht sich als „Opfer eines Ränkespiels“, das Bremen nicht nützt, Niedersachsen schadet.

Dabei wird auf jeder zweiten Seite des Bremer rot-grünen Koalitionsvertrags beschworen, dass man die „Zusammenarbeit mit Niedersachsen vertiefen“ wolle, seine Politik auf eine Stärkung der Nordwestregion ausrichten und namentlich in den Feldern Justiz, Strafverfolgung und Wissenschaft mit dem Nachbarn kooperieren wolle.

Und natürlich auch bei der Gesundheit: „Wir wollen ein bedarfsorientiertes medizinisches Angebot in der Region“, heißt es in der Vereinbarung. Das spräche nun ziemlich deutlich für Klintschar, denn dessen Institut garantiert, auch dank einer Außenstelle in Oldenburg und landesweit als Netzwerk organisierten Opfer- und Kinderschutzambulanzen, die rechtsmedizinische Versorgung zwischen Emden und Hannover, also auch in fast allen Nachbarkreisen Bremens.

Mit dem dort angesiedelten privatrechtlich verfassten Ärztlichen Beweissicherungsdienst (ÄBD) des seit August pensionierten Leiters des Bremer Instituts für Rechtsmedizin, Michael Birkholz, arbeitet er in Delmenhorst zusammen: Der besorgt dort die qualifizierte Leichenschau für alle Toten des Krankenhauses. Klintschar begleitet das Projekt wissenschaftlich. Mit der Einführung reagierte das Krankenhaus darauf, dass dort der Pfleger Niels Högel jahrelang unerkannt Patienten ermordete. Mindestens 30 Opfer hatte er. Jetzt aber „eine Außenstelle des Hamburger Instituts mitten in Niedersachsen zu etablieren würde die Situation meines Instituts erschweren“, warnt Klintschar.

Tatsächlich gibt es schon länger Hamburger Expansionsbestrebungen. So tritt Püschels Institut als Dienstleister für die Staatsanwaltschaft Verden auf. Wenn er in Bremen künftig Personal und die nötige Infrastruktur für die Autopsien hätte, dann wäre das nicht nur wegen der kürzeren Transportwege praktisch. Es wäre eine Art Subvention dafür, dass Hamburg, wie es in Püschels Konzept heißt, „unter Einbeziehung der angrenzenden Regionen“ die notwendige „kritische Masse“ für eine Weiterentwicklung erreicht. Schließlich seien „kleine Einheiten auch in ökonomischer Hinsicht nur schwerlich überlebensfähig“: Wer nicht ausreichend Obst hat, klaut vom Nachbarn. „Die Beratungen mit der Gesundheitsbehörde, der Geno und der Ärztekammer in Bremen sind im vollen Gange“, hatte Püschel schon Mitte September der taz mitgeteilt.

Kleines Problem: Bremens rechtsmedizinisches Personal will sich gar nicht unbedingt ans UKE ausleihen lassen, heißt es, und erst recht nicht übernehmen. Wobei die derzeit nicht zu erreichen sind: Alle offenbar krank geworden. Und eine Infrastruktur, die man für die zusätzlichen Toten bereitstellen könnte, fehlt im Grunde auch. Das Klinikum Bremen Mitte, an dem derzeit obduziert wird, hat Kühlplätze für gerade mal 18 Tote, plus drei Gefrierfächer. Die hatte sich das rechtsmedizinische Institut mit dem Zentrum für Pathologie geteilt, das sich um die eines natürlichen Todes Gestorbenen des Krankenhauses kümmern muss, und das war schon oft knapp.

„Manchmal hatten wir da die Apokalypse“, sagt Birkholz: Leichen auf allen Gängen. Auch die Frage, wer wann in den einzigen Sektionssaal darf, habe mitunter zu Konflikten geführt. Noch gebe es keine Vereinbarung zwischen dem Hamburger UKE und der Bremer Klinikholding Geno zur Überlassung von Räumen oder der Übernahme von Personal, bestätigt die Geno-Sprecherin. „Sollte es seitens des UKE Anforderungen geben, die durch unsere bisherigen Kapazitäten nicht abgedeckt sind, werden wir selbstverständlich gemeinsam nach einer Lösung suchen.“ In den Plänen für den Neubau des Klinikums allerdings, an dem derzeit gearbeitet wird, findet sich keine.

„Wir wollen in Bremen eine wissenschaftlich gut aufgestellte Rechtsmedizin praktizieren“, das hat Püschel im September in einer Mail an die taz mitgeteilt. Dabei gehe es „um HB“. Schließlich habe er dort mal gelebt und, „um es sportlich auszudrücken: Ich bin Werder-Fan.“ Auch wenn die derzeit nur gegen den Abstieg spielen.

Püschel-Fans gibt es im Land Bremen auch eine ganze Reihe: Die Bremer Polizei jetzt nicht, die hat nach regulärer Ausschreibung das Angebot des Beweissicherungsdienstes gewählt und bis 2017 mir Birkholz verlängert. Aber in Bremerhaven ist die Lage anders. Dort gibt es eine unabhängige Stadtpolizei. Und die stützt sich für Obduktionen und Blutanalysen seit Jahrzehnten auf Hamburgs forensische Kompetenz. Im Fazit könne die Zusammenarbeit mit Püschel „als effektiv, sehr vertrauensvoll und somit sehr gut bezeichnet werden“, resümiert ihr Sprecher. „Als Garant rechtsmedizinischer Leistungen“ hat ihn gar der aus Hamburg stammende Leitende Staatsanwalt Janhenning Kuhn „vor Augen“. Püschel nämlich, so dessen Erfahrungen, „immer wieder in der Lage war, sich den verändernden Rahmenbedingungen anzupassen“.

Anpassungsfähigkeit kann, bezogen auf wissenschaftliche Gutachten auch als ein Manko aufgefasst werden. Aber sei‘s drum: Die „guten Erfahrungen mit dem UKE“ sind nach Auskunft der Bremer Gesundheitsbehörde das einzige Kriterium, das „zu der Entscheidung geführt“ hatte, sich vor Beginn des Verfahrens auf Püschel als Partner festzulegen. Dabei war dessen Konzept für die qualifizierte Leichenschau im Frühjahr auf breite Ablehnung gestoßen.

So hatte es vorgesehen, die Toten zentral zu begutachten, was nach Auskunft des Präsidenten der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin, Thomas Bajanowski, nicht zweckmäßig wäre: Einmal, weil „die Umgebung am Fundort wichtige Hinweise zu Todesart und Todesursache liefern kann“, weil zudem der „Abtransport einer Leiche Veränderungen des Spurenbildes“ verursache und schließlich, weil „veränderte Umgebungsbedingungen zu fehlerhaften Todeszeitbestimmungen führen“. Laut Behörde ist das Konzept mittlerweile „überholt“. Eine neue Fassung aber scheint es nicht zu geben: „Wie wir die qualifizierte Leichenschau einführen, entscheiden doch nachher ohnehin die Abgeordneten“, so hat es der persönliche Referent der Gesundheitssenatorin der taz gesagt. „Darauf, was in den Konzepten steht, kommt es doch gar nicht so sehr an“.

Gutes Geschäft Bei 6.000 zu kremierenden Toten in Bremen stehen 432.000 Euro Einnahmen maximal 120.000 Euro Ausgaben gegenüber. Macht pro Monat fast 30.000 Plus

Den Eindruck kann man in der Tat haben: Bislang scheint es vor allem darum zu gehen, mit möglichst wenig öffentlicher Beteiligung Püschel zu installieren. So etwas geht am besten, indem man Zeitdruck herstellt – durch den Plan, das eigene rechtsmedizinische Institut aufzulösen. Das nämlich hat in Bremen, bundesweit einzigartig, auch amtsärztliche Aufgaben übernommen. Es sorgt dafür, dass so genannte herrenlose Leichen, also Tote, für die sich niemand zuständig erklärt, bestattet werden, eine lästige Aufgabe, weil dazu auch zählt, bestattungspflichtige Angehörige ausfindig zu machen und das Inkasso zu betreiben. Zweiter Punkt, und das war ein bisschen ein Finanzierungstrick fürs Birkholz-Institut: Es organisiert die zweite Leichenschau vor Kremierung.

Punkt eins erledigen derzeit in Bremen zwei Schreibkräfte, die einander im Urlaub wechselseitig auch vertreten. Der Personalaufwand für Punk zwei liegt auch nur bei einer bis anderthalb Stellen, davon eine viertel Arztstelle. Ein Büro braucht man auch noch. Denn die Toten werden in den Krematorien ja gesammelt, bis der Beschauer kommt. Der Termin lässt sich gut planen. Fahrtzeit, Verwaltungskosten und fertig. Das ist wichtig. Bremen muss sicher stellen, dass das auch im Januar noch passiert.

Aber dafür braucht man kein Konzept und kein ganzes Institut und erst reiche keine Schützenhilfe von der Uni. Die meisten deutschen Städte bewältigen das ja auch so: Das ist Alltag. Und weil Bremen dafür nicht alltägliche Gebühren von 72 Euro pro Leiche veranschlagt – laut Stiftung Warentest sind bundesweit 20 bis 50 Euro üblich – scheint das, und das wäre illegal, geradezu profitabel: Bei 6.000 zu kremierenden Toten in Bremen stehen 432.000 Euro Einnahmen maximal 120.000 Euro Ausgaben gegenüber. Macht pro Monat fast 30.000 Plus, eine nette Anschubfinanzierung.

Die, das ist der Plan, fällt natürlich weg, wenn eine qualifizierte Leichenschau kommt. Kommenden Sommer sollte es ursprünglich soweit sein. Dass daraus nichts wird, davon ist auszugehen.

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