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"Rechte nutzen das Vakuum"

Populismus Ein Vortrag über die zunehmende Vernetzung von Europas Rechtsradikalen

Foto: Ulrike Schmidt
Andreas Speit

48, Rechtsextremismus-Forscher, taz-Autor und seit 20 Jahren Verfasser der Kolumne „Der rechte Rand“.

taz: Herr Speit, was ist gefährlicher: klare rechtsradikale Parolen oder gemäßigte?

Andreas Speit: In der rechtsradikalen Szene gibt es zwei Ansätze: einmal den Versuch, bestimmte Reizworte vorsichtig auszudrücken; man spricht zum Beispiel nicht mehr von Rasse, sondern von Kulturen. Andererseits gibt es in der Mitte der Gesellschaft rechtslastige oder rassistische Akteure, die durchaus härtere Töne wagen.

Wie stark sind die Rechten derzeit in Europa?

Bei allen europäischen Wahlen der letzten Zeit hatten rechte Parteien und rechtspopulistische Bewegungen enorme Wahl­erfolge. Selbst im Europaparlament gibt es inzwischen eine rechtsextreme Fraktion unter Marine Le Pen.

Wo stehen Europas Rechte ideologisch? Sind sie nicht meist nationalistisch orientiert und damit weniger vernetzungsfähig?

Das könnte man vermuten, und in der Tat gibt es viele interne Konflikte. Aber in den letzten Jahren vernetzt sich die rechte Szene immer stärker. Sie eint die Vorstellung, dass die weißen kulturschaffenden Rassen – etwa vor der vermeintlichen Bedrohung durch den Islam – geschützt werden und zusammenstehen müssen.

Welche Rolle spielt die Flüchtlingskrise?

Die Flüchtlingskrise und das Versagen der Politik nützen den Rechten enorm. Es ist kein Zufall, dass es in den letzten Monaten mehr und mehr rassistisch motivierte Aufmärsche gab.

Inwiefern versagt die Politik?

Dass mehr und mehr Flüchtlinge kommen würden, war seit Jahren abzusehen, aber die Politik hat das Thema ignoriert, statt etwa rechtzeitig Unterkünfte zu bauen. Dieses politische Vakuum hat die Rechte europaweit erkannt und genutzt.

Ist es zu spät, um gegenzusteuern?

Nein, aber die Auseinandersetzungen werden härter – und zwar dann, wenn es um das konkrete Umfeld geht: wenn aufgrund des Versagens der Politik plötzlich eine Turnhalle einer Schule für Flüchtlinge genutzt werden muss. Dann kann es passieren, dass politisch gemäßigte Leute sagen: Warum sollen meine Kinder darunter leiden? Wenn dann Rechte – und vereinzelt passiert das schon – vor Ort Aktionen machen, fühlen sich viele Menschen angesprochen. Interview:PS

Vortrag von Andreas Speit über „Radikale Rechte in Europa“ in der Reihe „Friedensbildung“: 16–18 Uhr, Universität Hamburg, Hörsaal der TMC (Technische und Makromolekulare Chemie), Bundesstraße 45

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