piwik no script img

Berlin ist nicht Oslo

Verkehr Ab 2019 wird die City der norwegischen Hauptstadt autofrei. In Berlin geht das nicht, oder zumindest nicht so schnell, sagen Verkehrsexperten von Grünen, Piraten und ADFC. Es fehlt dafür die Infrastruktur

von Plutonia Plarre

Berlin erklärt die Innenstadt zur autofreien Zone – wäre das nicht eine traumhafte Vorstellung? Wie das gehen könnte, machen die Norweger vor. Ab 2019 wird der motorisierte Privatverkehr komplett aus der City verbannt. Warum folgt Berlin diesem Beispiel nicht? Die taz hat bei Verkehrsexperten nachgefragt. Das Ergebnis ist ernüchternd.

„Das würde in Berlin nicht funktionieren.“ – Vom ADAC, dem Lobbyverband der Autofahrer, hätte man so eine Reaktion erwartet. Aber der Mann, der das sagt, heißt Nikolas Linke und ist Sprecher des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC). „Wir fordern nur, was realistisch ist“, sagt Linke. Auch die Verkehrsexperten von Grünen und Piraten sind skeptisch. Für Oslo sei das wohl der große Wurf. Aber Berlin? „Schwierig, schwierig“, meint Harald Moritz (Grüne). „Man sollte in kleineren Bereichen anfangen.“ Grundsätzlich sei das schon ein Ziel, sagt Andreas Baum von den Piraten. „Aber ich sehe das nicht so schnell wie in Oslo.“ Selbst Tobias Trommer von der Ini­tiative A100 stoppen, sonst stets ein großer Befürworter von ­Entschleunigung, findet: „Von heute auf morgen geht das nicht.“

2019 ist nicht morgen. Aber drei Jahre sind für die Umsetzung eines solchen Vorhabens keine Zeit. In Oslo regiert seit September ein Bündnis aus der grünen Miljøpartiet De Grønne, den Sozialdemokraten und den Linkssozialisten. Die autofreie City war eine Hauptforderung im Wahlkampf.

Zwar wohnen nur noch rund 1.000 Menschen in der Osloer City, aber immerhin 90.000 kommen dort täglich zur Arbeit. Die neue Stadtverwaltung will unter anderem die U-Bahn um einen Tunnel erweitern, 60 Kilometer neue Radwege bauen und in E-Bikes investieren. Aus­nahmen für den Autoverkehr in der City sollen auf Waren­lieferungen und Serviceverkehr begrenzt werden. Die Wirtschaft zeigt sich besorgt und verwies darauf, dass 11 von insgesamt 57 Einkaufszentren in der Osloer Innenstadt liegen.

Oslo setzt auf U-Bahn-Ausbau und 60 Kilometer neue Radwege

Die Situation in Berlin sei komplizierter, sind sich die Verkehrsexperten von ADFC, Grünen und Piratenpartei einig. Schon bei der Frage, „was genau die Innenstadt ist“, fange das Problem an. Berlin sei polyzentristisch. Statt der einen City gebe es viele Zentren. Wenn unter Innenstadt aber der innere S-Bahn-Ring verstanden werde, sei völlig klar, dass eine auto­freie Zone dort nicht funktionieren werde. „Die Infrastruktur im inneren S-Bahn-Ring ist dafür nicht ausgelegt“, erklärt ADFC-Mann Link.

Eine jüngst vorgestellte Haushaltsbefragung aus dem Jahr 2013 hat ergeben, dass innerhalb des S-Bahn-Rings 17 Prozent aller Wege mit dem Auto und 18 Prozent mit dem Rad zurückgelegt werden. Das Rad hat das Auto also bereits überholt. Diesen Trend weiter zu fördern, darum müsse es gehen, sagt Link. Viel gewonnen wäre, wenn die Radverkehrsstrategie umgesetzt werde, die der Senat bereits 2013 mit dem ADFC und anderen Verbänden entwickelt habe. „Mit einer SPD, die immer noch am Ausbau der Stadtautobahn hängt, ist kein großer Wurf zu machen“, bedauert Grünen-Abgeordneter Moritz.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen