Prohibition nach Augenmaß

JUSTIZ Der Betreiber einer Hanfplantage in Walle wird vom Amtsgericht vergleichsweise milde betraft

B. sagte, er habe die Plantage für einen Verwandten betrieben

Ein Jahr lang hat Michael B. auf einer Hanf-Plantage gelebt. Die Hälfte seiner Zwei-Zimmer-Wohnung in Walle hat er zur Aufzucht der Pflanzen umgerüstet. Schlimmer als Geruch und der Lüfter-Lärm sei die Angst gewesen, wenn ein Auto vor dem Haus hielt. Im Frühjahr 2013 war es dann wirklich die Polizei.

Rund 225 Gramm Cannabis-Blüten und ein gutes Kilo Blätter haben sie bei B. gefunden. Und Waffen: ein Butterflymesser und eine Gaspistole. „Ich weiß, das sieht jetzt scheiße aus“, sagte B. am Dienstag vor dem Amtsgericht. Der Richter nennt es eine „gewaltigen Eselei, solche Gegenstände herumliegen zu lassen“. Denn wer neben Drogen auch Waffen in der Wohnung hat, könnte nach Betäubungsmittelgesetz für einige Jahre extra hinter Gitter wandern.

Doch trotz der erheblichen Menge ging die Anklage von einer minderschweren Tat aus. „Sie treffen in Bremen auf eine Staatsanwaltschaft, die solche Fälle mit Augenmaß betrachtet“, sagte der Richter.

Außerhalb des Gerichts köchelt die Legalisierungsdebatte. Gerade hat sich Rot-Grün einen Modellversuch zur Legalisierung in den Koalitionsvertrag geschrieben. Und wenn schon nicht im Gesetz, dann schlägt sich die gesellschaftliche Stimmung doch mindestens in der Beurteilung wieder. Eine Selbstverständlichkeit ist es jedenfalls nicht, dass ein Schöffengericht etwa das Kilo Ernteabfälle auch als solche anerkennt und nicht einfach zur Verkaufsmasse aufsummiert.

Aus dem Schock der Durchsuchung hat B. nach Ansicht der Justiz das Beste gemacht: Er hat heute einen Job, eine feste Beziehung – und er kifft nicht mehr. All das ist strafmildernd. Auch B.s vermeintlich nebensächliche Aussage, er habe in den ersten Wochen nach dem letzten Joint schlecht einschlafen können, kommt ihm zugute. Entzugserscheinungen und Abhängigkeit sprächen doch eher für Selbstversorgung als Profit­interesse, so der Richter.

B. sagte, er habe die Plantage für einen Verwandten betrieben und selbst nur konsumiert: vier bis fünf Gramm am Tag. Den Namen verrät B. nicht – sein Recht als Angehöriger, wie auch die Staatsanwältin einräumt. Bleibt der Tatbestand der Beihilfe zum Verkauf. Dafür gab es am Ende eine Strafe von acht Monaten, die auf Bewährung ausgesetzt wurde.

Damit ist er vorbestraft. Ob er seinen Job als Lagerarbeiter behalten kann und seine Resozialisierung fortsetzt, wird sich zeigen. Ein Führungszeugnis braucht B. jedenfalls, weil niemand Diebe im Lager arbeiten lasse. Noch ist offen, ob B.s Arbeitgeber bei Cannabis das gleiche „Augenmaß“ beweist wie die Staatsanwaltschaft. JPK