Lesen ist wie Reisen im Kopf

Bücher/SPD Felix Dachsel kann nicht mehr lesen, und der Psychologe Christian Schneider analysiert den Minderwertigkeitskomplex der SPD

Auf der Buchmesse in Frankfurt. Entspannt lesen im Liegestuhl Foto: dpa

Lesen wäre klüger

betr.: „Jeder Satz ein Schmerz“, taz vom 10. 10. 15

Ach du armer Felix Dachsel, das rührt mich ja richtig, dass du nicht mehr lesen kannst. Stattdessen konsumierst und verklärst du nun andauernd irgendwelche Krimi- oder Soapserien im Internet. Toll! Deine Probleme beim Lesen verstehe ich ja (habe ich auch manchmal), die Lösung deines Problems, die Bücher in den Keller zu packen und nur noch Fernsehserien zu glotzen, verstehe ich überhaupt nicht. Das ist die völlig falsche Alternative.

Bewusster, sorgsam begrenzter Glotzekonsum und doch noch Lesen wäre klüger, differenzierter, freier. Wie viel Fantasie, selbstständiges Auseinandersetzen in autonom gewählter Zeit, wie viel kritisches Lernen und Denken schenkt uns das Lesen, und nur das Lesen! Wie viel freudiges Blättern und Schmökern in Büchern entgeht dir? Du Armer. Bis ins kleinste Detail vorgefertigte Bilder, bis ins Detail die Augen und die Seele und den Intellekt oft belügende und verblödende Flimmerstorys können doch das Lesen nie ersetzen.

HARRIE MÜLLER-ROTHGENGER, Hannover

Lesen lassen

betr.: „Jeder Satz ein Schmerz“, taz vom 10. 10. 15

Felix Dachsel lässt lesen: vom Regisseur das Drehbuch und sieht sich dann in einer Serie an, was sich der Regisseur beim Lesen gedacht hat. EVI MEISBERGER, Völklingen

Lesen lohnt

betr.: „Jeder Satz ein Schmerz“, taz vom 10. 10. 15

Lohnt sich lesen überhaupt? Für mich gilt ein ganz klares Ja! Mit dem Lesen erobern wir uns Wissen über die Welt. Ein spannender Krimi aus Südafrika bringt gleichzeitig ein Verständnis über das tägliche Leben in diesem Land, ein guter Roman aus Südamerika lässt mich eintauchen in die Situation zum Beispiel in Chile, Peru oder Argentinien. Das Lesen von Literatur aus aller Welt ist für mich wie Reisen im Kopf, beflügelt die Fantasie und ist für mich Genuss, Freude, Erkenntnis und natürlich auch gute Unterhaltung. Eine Welt ohne Bücher, ohne Literatur ist für mich einfach undenkbar.

Felix Dachsel schreibt in seinem Artikel kein Wort über irgendein Buch, das ihn berührt hat, nur ziemlich ausschweifend über irgendwelche belanglosen Fernsehserien, die ihn irgendwie angesprochen haben. Was für ein Unterschied. Klar, Fernsehen kann unterhalten, ich lasse mich davon auch manchmal ganz gern nach einem stressigen Arbeitstag einlullen, aber das ist doch nichts gegen einen fesselnden Roman, dessen Bilder im Kopf des Lesers lebendig werden. Felix Dachsel befindet die emoticons in Texten für ausreichend zur Kommunikation. Nein danke, ich möchte von meinen Freunden in E-Mails lieber in vollständigen Sätzen hören, wie es ihnen geht. Ich wünsche mir, dass Literatur und auch Bücher zum Anfassen uns noch lange erhalten bleiben.

CARIN SEIFERT, Hamburg

Junk Food

betr.: „Verlernen wir das Lesen?“, taz.de vom 9. 10. 15

„Das Lesen hat sich verändert und ins Digitale verlagert.“

Wer liest schon Bücher digital? Lesen in dem Sinne hat doch mit E-Mails, Google, SMS und Twitter schon inhaltlich überhaupt nichts zu tun. Hier wird versucht, einen Zusammenhang zu konstruieren, den es nicht gibt, um die digitalen Medien kulturell wertvoller scheinen zu lassen, als sie sind. Bücher sind Nahrung, digitale Medien sind Junk Food. KURT-HORST DLOCH, taz.de

Es wird viel gelesen

betr.: „Verlernen wir das Lesen?“, taz.de vom 9. 10. 15

Ich weiß ja nicht: Wenn ich meinen Bücherverschleiß betrachte, und mich mal so im Kollegen- und Freundeskreis umsehe, finde ich, dass immer noch viel gelesen wird, querbeet, Romane, Kurzgeschichten, Historisches, Fach- und Sachbücher . . . Und auch in U- und S-Bahn sieht man wesentlich mehr Bücher, als man es dargestellt bekommt.

ANO NYM, taz.de

Zu bequem

betr.: „Verlernen wir das Lesen?“, taz.de vom 9. 10. 15

Ich würde nicht sagen, dass wir das Lesen verlernt haben, sondern eher davon reden, dass wir zu bequem sind, es zu tun. Von denen, die ich kenne, die regelmäßig Smartphones, Tablets, PCs, Notebooks, das Netz oder was auch immer an neuzeitlichen Kommunikationsmitteln nutzen, sind die wenigsten bereit längere Texte zu lesen. Alles muss kurz gefasst, schnelllebig sein.

SEAN DAVID, taz.de

Unberechenbar

betr.: „Die SPD ist alte Dame und Punkerin“, taz vom 10. 10. 15

Der Therapievorschlag von Christian Schneider, durch ein entsprechendes Personaltableau das grundlegende Problem, nämlich die innere Zerrissenheit der SPD, lediglich zu überspielen, löst dieses Problem nicht ursächlich.

Stattdessen sollte die früher von Oskar Lafontaine repräsentierte USPD den Linken ebenso beitreten wie ihr früherer Repräsentant bereits vor etlichen Jahren, während der konservative Seeheimer Kreis zur CDU/CSU wechselt. Die dann noch übrig bleibenden innerparteilichen Strömungen und Gruppierungen müssen abwägen, ob sie die SPD zwischen diesen beiden politischen Fronten – wo sich auch schon einige andere Konkurrenzparteien tummeln – grundlegend erneuern oder sich ebenfalls anderen Parteien anschließen wollen.

In ihrem heutigen Zustand oder einer lediglich äußeren personellen Überspielung desselben wird die SPD aus dem seit der Agenda 2010 anhaltenden (Umfrage-)Tief nicht mehr herausfinden. Denn gerade durch ihre innere Zerrissenheit und nicht zuletzt auch durch die von Christian Schneider ebenfalls erwähnte opportunistische Struktur ist sie hinsichtlich ihrer realpolitischen Ziele für den Wähler unberechenbar geworden. Dieser erwartet stattdessen Geradlinigkeit und Verlässlichkeit als Grundlage seiner in der Regel mehrere Jahre gültigen politischen Wahlentscheidungen. ELGIN FISCHBACH, Leimen

Shitstorm wartet

betr.: „Die SPD ist alte Dame und Punkerin“, taz vom 10. 10. 15

Interessanter Artikel, der mir einige neue Einsichten gab. Was jedoch gar nicht geht: Gabriel-Beleidigung. Man mag von ihm halten, was man will, Worte wie „Dicksack“ sagen mehr über den Sender. Und zu Ihrer Charakterisierung von Konservativen: Vieles ist überzeugend. Aber: Die Gefahr bei angeblich „innerlich gefestigten Persönlichkeiten“ sind leider oft auch Selbstverliebtheit und festgefahrene Meinungen. Zweifel ermöglichen Veränderung. Allerdings ermutigt unsere Kommunikationskultur nicht gerade zu Selbstkritik und Fehlerfreundlichkeit, weil einem dann Weinerlichkeit und Selbstqual unterstellt wird.

Und der nächste Shitstorm wartet schon! KATHARINA ZÖLLER,

Weilheim