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Geteiltes Glück hat mehrfachen Nutzen

Praktisch Leihen ist nicht nur nachhaltiger und billiger als kaufen. Dinge, die man ohnehin nur einmal im Jahr braucht, stehen auch nicht blöd in der Ecke herum, wenn man sie in der Zwischenzeit anderen überlässt. Die Sharing Economy blüht auch in Berlin auf

Ein Opernglas tut beim Pferderennen gute Dienste, ein geliehenes tut es auch Foto: Sorge/Caro

Von Kristina Simons

Handschellen, Nebelmaschine, Bierhelm – das waren bislang die kuriosesten Dinge, die sich Leute im Leila ausgeliehen haben. Hier, im ersten Leihladen Berlins, reihen sich Wörterbücher an Stereoanlagen, Werkzeuge an Küchengeräte. In einem Regal steht ein Teleskop, gleich daneben ein Katzentragekorb. Montag-, Mittwoch- und Freitagnachmittag öffnen die ehrenamtlichen Betreiber die Pforten. „Wir wollen Veränderung im Umgang mit Ressourcen“, erläutert Nikolai Wolfert die Idee hinter dem Leila. „Leihen ist nachhaltig, denn wer sich Dinge ausleiht, muss sich nicht alles zulegen.“ Wer Leila-Mitglied werden will, bringt einen zu verleihenden Gegenstand mit, lässt sich registrieren und kann dann selbst etwas ausleihen. Der freiwillige Mitgliedsbeitrag liegt bei 1, 2 oder 3 Euro pro Monat. „Am häufigsten nehmen die Leute Bohrmaschinen, Zelte, Werkzeug und Spielzeug aus dem Leila mit“, erzählt Wolfert. Für wie lange, das entscheidet sich von Fall zu Fall. „Bei Bohrmaschinen reichen meist zwei Wochen, beim Wickeltisch kann die Frist schon mal länger sein.“ Ein Pfand ist nur für wertvollere Dinge fällig, bei langjährigen Mitgliedern selbst dann nicht.

Sharing Economy, kollaborativer oder Ko-Konsum – es existieren mittlerweile einige Begriffe für die gleiche Idee: Dinge werden verliehen, getauscht, verschenkt, damit sie tatsächlich genutzt und nicht einfach nur besessen und gehortet werden. Neben der Stadtbücherei oder dem kommerziellen Carsharing funktioniert das Leihen heute zunehmend auch von privat an privat – wie im Leila. Oder über diverse Onlineplattformen, teils mit eigenen Apps. Für Dinge aller Art gibt es etwa fairleihen.de, frents.com oder gnibble.com, für Klamotten kleiderkreisel.de, fürs private Carsharing tamyca.de oder drivy.de, fürs private Wohnen Airbnb. „Noch ist das Verleihen von privat an privat zwar ein Nischenphänomen, aber seine Dynamik ist beachtlich“, sagt Gerd Scholl vom Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) und Leiter des Projekts PeerSharing, das Onlineplattformen für Leihen und Tauschen erforscht. Befördert wird diese Entwicklung von Smartphone und mobilem Internet. Am ehesten werden elektronische Geräte und Werkzeuge, aber auch Fahrräder, Kleidung, Haushaltsgegenstände und Sportausrüstung sowie Autos ge- bzw. verliehen – und damit in der Regel länger und intensiver genutzt, da sie nicht monatelang einfach nur rumstehen. „Bei Skiern etwa steigt die Ressourceneffizienz um den Faktor 1,7 – gemietete Skier werden also 1,7-mal häufiger genutzt als eigene“, erläutert Scholl. Ein Carsharing-Auto wiederum ersetze sechs konventionelle.

Gemeinschaftlicher Konsum stärkt auch den sozialenZusammenhalt

Die Idee für die Leihplattform fairleihen.de sei aus dem Gedanken der praktischen Nachhaltigkeit entstanden, sagt ihr Gründer Marko Dörre. „Es geht uns aber ebenso um ein gutes Miteinander in der Nachbarschaft und darum, Menschen durch das Leihen Zugang zu bestimmten Dingen zu ermöglichen, die sie sich sonst vielleicht nicht leisten könnten.“ Wagenheber, Werkzeuge, Kinderreisebett oder Opernglas, es gibt hier Dinge für diverse Lebenslagen. Die Leihplattform ist kostenlos, zudem spendenfinanziert und dadurch werbefrei. Gedacht ist sie für alle Berliner, die sich die Dinge dann selbst abholen. Bei der Plattform frents.com können sich Nutzer deutschlandweit registrieren und dann Sammlungen von Dingen erstellen, die sie besitzen und verleihen würden. Sie können diese Listen dann entweder nur für Freunde oder auch für Nachbarn freischalten. „Wir haben Lastenräder und Zelte, ­Games und DVDs und natürlich jede Menge Werkzeug dabei, aber auch eher außergewöhnliche Dinge wie Star-Wars-Büsten und Siebenmeilenstiefel“, erzählt Ferdinand Mühlhäuser. Wie bei den meisten Portalen sind Leihdauer und möglicherweise eine Leihgebühr Verhandlungssache zwischen den Nutzern. „Wenn eine Leihe zustande kommt, schicken wir an beide eine Erinnerungsmail sowohl vor der Über- als auch vor der Rückgabe.“ Auch Frents ist kostenlos, die Plattform finanziert sich über Werbung und Provisionen von Partner-Seiten.

Verluste oder schwere Schäden scheinen die Ausnahme beim Privatverleih zu sein, das notwendige Vertrauen wird selten enttäuscht. Allerdings könne, wendet Scholl ein, der geteilte Konsum auch unerwünschte sogenannte Rebound-Effekte auslösen, die positiven Effekte können also durch negative wieder wettgemacht werden. „Etwa weil Menschen mit dem geliehenen Auto mehr als eigentlich nötig herumfahren oder nicht pfleglich damit umgehen. Oder sie geben das Geld, das sie durch das Leihen gespart haben, für andere Dinge aus, die sie eigentlich gar nicht brauchen und die womöglich wieder unnötig Ressourcen verbrauchen.“ Wichtig sei, die Rahmenbedingungen richtig zu setzen, zum Beispiel durch eine gesetzliche Regelung zur klaren und einfachen Unterscheidung von gewerblicher und privater Nutzung von Sharing-Plattformen. „Dann hat gemeinschaftlicher Konsum das Potenzial für eine höhere Ressourceneffizienz und auch für einen stärkeren sozialen Zusammenhalt“, ist Scholl überzeugt.

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