: Tempelberg: Netanjahu verwehrt Politikern Zutritt
Nahost Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu ist jetzt um Deeskalation bemüht
Die Unruhen und Terrorattentate, die in den letzten Tagen Jerusalem und das Westjordanland prägten, greifen auf Israel über. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu reiste deshalb nicht zu den Regierungskonsultationen nach Berlin, die für Donnerstag geplant waren. Bei Messerattacken wurden am Donnerstag zwei Israelis verletzt. In Tel Aviv wurde ein Palästinenser erschossen, der eine Soldatin mit einem Schraubenzieher attackiert hatte. In Jaffa und in Umm al-Fahm hatten sich israelische Araber mit dem Palästinenserprotest solidarisiert. Laut palästinensischer Nachrichtenagentur Wafa nahm die Polizei in Israel und im Westjordanland zahlreiche Demonstranten fest.
Unruheherde sind Jerusalems Altstadt und der Tempelberg. Nach einem tödlichen Anschlag auf zwei fromme Juden hatte die Polizei vorübergehend die Altstadt für die meisten Palästinenser gesperrt. Das steigerte die Sorge unter Muslimen, Israel plane eine Veränderung des Status quo auf dem Tempelberg. Seit fast 50 Jahren haben Muslime dort das alleinige Gebetsrecht.
Netanjahu hatte wiederholt versichert, eine Änderung des Status quo stehe außer Frage. Um zu deeskalieren und auch der Besorgnis des jordanischen Königshauses entgegenzuwirken, das in letzter Instanz für die heiligen muslimischen Stätten in Jerusalem zuständig ist, verhängte Netanjahu ein vorläufiges Besuchsverbot für israelische Politiker auf dem Tempelberg.
Das kritisierten der nationalreligiöse Koalitionspartner wie auch arabische Knessetabgeordnete, für die der Tempelberg auch vorerst tabu bleiben soll. Ahmed Tibi (Vereinigte Arabische Liste) kündigte an, trotzdem zum Freitagsgebet auf den Tempelberg zu pilgern. Netanjahu „verwechselt die Hausherren mit den Einbrechern“, erboste sich Tibi. Nicht die Palästinenser provozierten seiner Meinung nach Unruhen, sondern israelische Politiker, allen voran Landwirtschaftsminister Uri Ariel von der nationalreligiösen Partei Das jüdische Haus. Ariel plädiert dort für die Errichtung eines dritten jüdischen Tempels.
Netanjahu enttäuschte die rechtsnationalen Koalitionspartner auch mit dem Entschluss, vom Bau neuen Wohnraums in den Siedlungen abzusehen, wie es Minister des Jüdischen Hauses gefordert hatten. Netanjahus Zögern hängt mit den Verhandlungen zwischen Israel und den USA über militärische Hilfspakete zusammen. Die USA hatten infolge des Iran-Abkommens eine Modernisierung von Israels Abwehrsysteme in Aussicht gestellt. Netanjahu will größtmögliche Kompensationen erreichen.
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