: Napoleon feuert wieder
Nach zweieinhalbjähriger Amtszeit als Club-Trainer muss Wolfgang Wolf seinen Stuhl räumen. Er ist schon der 13. Trainerrauswurf in der Präsidentenära des Teppichhändlers Michael A. Roth
VON TOBIAS SCHÄCHTER
Ganz zum Schluss, als fast alle Reporter schon gegangen waren, sprang Martin Bader doch noch einmal ein Radio-Mann vor die Füße und hielt dem Sportdirektor des 1. FC Nürnberg ein Mikrofon unter die Nase. Ob Wolfgang Wolf am kommenden Sonntag gegen den VfB Stuttgart denn noch auf der Trainerbank des Clubs sitzen werde, wollte der Mann wissen. Baders Antwort war kurz: „Ja!“ Dies war am Sonntag kurz vor 21 Uhr Uhr in den Katakomben des Mainzer Bruchwegstadions. 1:4 hatte der Tabellenletzte beim Vorletzten Mainz 05 da gerade verloren.
Einen Tag danach, am späten Montagnachmittag, war Wolfgang Wolf nach einer drei Stunden dauernden Sitzung von Präsidium und Aufsichtsrat in der Firmenzentrale von Club-Präsident Michael A. Roth entlassen. Und kein Zweifel besteht daran, wer der Drahtzieher dieses Rauswurfs ist: ebendieser Michael A. Roth, an dessen Tropf der Klub auf Gedeih und Verderb hängt. Der Franken-Napoleon hatte das Stadion schon eine Viertelstunde vor Ende des Debakels verlassen, um in seinem Wohnmobil Richtung Heimat zu tuckern. Was er auf der Fahrt ausheckte, wurde anderntags offenbar: Ein paar Stunden nach dem morgendlichen Training erfuhr Wolfgang Wolf am Telefon, dass seine Zeit nach zweieinhalb Jahren, in denen der aufrechte Pfälzer den Club in die Bundesliga zurückgeführt hatte und letzte Saison zum Klassenerhalt, abgelaufen ist. „Wir hatten lange die Hoffnung, dass wir mit Wolfgang Wolf die Wende schaffen. Die Demontage in Mainz hat uns aber umdenken lassen“, krächzte Roth nach der Entscheidung und versuchte zu vermitteln, was ihm aber eh keiner glauben mag: „Ich war keineswegs alleine mit meiner Entscheidung.“
Wolf kann sich immerhin mit der Tatsache trösten, dass er der 13. Trainer ist, der in der mit Unterbrechungen knapp 15 Jahre währenden Ära des Teppichhändlers vorzeitig gehen muss. Wer als Letzter beim Vorletzten untergeht, hat ohnehin kaum Argumente. Auch Wolf wusste, was ihm blüht: „Dieses Ergebnis ist keine Bewerbung, mich länger im Amt zu halten“, sagte der 48-Jährige nach dem Desaster. Von sich aus aber wollte der kämpferische Trainer nicht gehen, die Bitte, bis Weihnachten versuchen zu dürfen, die Wende herbeizuführen, gewährte man ihm nicht. Dabei hätte Wolf es durchaus verdient gehabt. Das Verhältnis zwischen Trainer und Mannschaft war intakt.
Dennoch: Auch Wolf hat Fehler gemacht. Die Einschätzung, mit vorwiegend jungen Abwehrspielern in die Runde zu gehen und sich darauf zu verlassen, dass der derzeit verletzte Torschützenkönig Marek Mintal wieder ähnlich erfolgreich sein wird, nannte Sportdirektor Bader nun (sich einschließend) „blauäugig“. Fast alle Neuzugänge enttäuschten bisher. Andererseits hatte der klamme Klub gar kein Geld für Neuverpflichtungen parat. „Wir hatten noch nicht einmal eine Erbse für einen Abwehrspieler übrig“, haderte Wolf am Montag.
Nun wird erneut Michael A. Roth in seine Privatschatulle greifen müssen. Nürnberg kann nicht mit, aber auch nicht ohne Roth, das ist das Dilemma in Franken. Übergangsweise leitet nun Co-Trainer Dieter Lieberwirth das Training. Als Nachfolger von Wolf heiß gehandelt werden Lothar Matthäus und Matthias Sammer. „Matthäus liegt nahe“, ließ Roth schon einmal seine Priorität erkennen. Zwar steckt der Rekordnationalspieler momentan in Verhandlungen mit dem ungarischen Fußballverband um eine Verlängerung seines Vertrages als Nationaltrainer, doch dass ihn das Tagesgeschäft reizt, ließ Matthäus schon öfter durchblicken.
So oder so: Mit der Entlassung Wolfs kommt gehörig Schwung ins Trainerkarussell. Wolf ist ein geradliniger Mann mit klarem Konzept und in der Branche angesehen. Vor allem Michael Henke vom 1. FC Kaiserslautern, für den Wolf 295 Bundesligaspiele bestritt, wird den Rauswurf des Kollegen mit Schaudern zur Kenntnis genommen haben.