Gewissen zum Herunterladen

Eins vorweg: Ich bin kein Öko. Wahrscheinlich bin ich eher ein popeliger Durchschnittsdeutscher: Ich sorge mich zwar irgendwie um die Umwelt, aber wirklich aktiv schütze ich sie wenig. Einfach zu anstrengend.

Genau an diesen Typus Mensch richtet sich die Umweltschutz-App Ecotastic. Das System ist einfach: Nutzer laden Bilder von umweltbewussten Aktionen hoch, andere Nutzer bewerten sie, oder sie lehnen sie ab. Hat ein Foto genug positive Bewertungen gesammelt, bekommt der Urheber dafür Punkte. Die Punkte lassen sich bei einigen nachhaltigen Unternehmen gegen Gutscheine oder Geschenke einlösen, oder man kann sie als Geldspende nutzen.

Rabatt auf vegane Boxhandschuhe war für mich allerdings kein Motiv, einer der gut 4.000 registrierten Nutzer von Ecotastic zu werden. Viel eher war die Neugierde entscheidend, ob eine App meinen Einsatz für die Umwelt bereichern kann. Also das kostenlose Programm runtergeladen und eingeloggt.

Obwohl die App nicht sonderlich übersichtlich gestaltet ist, kann ich bald mein erstes Öko-Foto hochladen. Und da ich sowieso Mittagspause machen wollte, schaltete ich meinen Arbeitsrechner für die halbe Stunde in den Standby-Modus – etwas, was ich bisher nicht gemacht habe. Ein winziger Beitrag, aber genau davon lebt Ecotastic. Dann hieß es warten: Wie würde die Community reagieren? Sollte mein Beitrag angenommen werden, würde ich zwischen 20 und 1 Punkten erhalten. Es dauerte nicht lange und mir flatterten 10 Punkte aufs grüne Konto. Durchschnittlich. Nicht schlecht für den ersten Versuch.

Nach zwei Stunden habe ich mein Handy vom Netz genommen, Stoffhandtuch statt Papier im Badezimmer genutzt und alte Unterlagen als Schmierzettel verwendet. Das bringt einige Punkte – und die Erkenntnis: Umweltschutz kann süchtig machen. Ständig suche ich weitere Möglichkeiten für Fotos.

Nach einer Woche der Nutzung hat ist die App Routine: Morgens in den Bus steigen: Foto! Mal wieder hinter den Kollegen das Licht auf der Toilette ausgemacht: Knips! Viele dieser Aktionen habe ich schon immer gemacht, halte sie jetzt nur für die App fest. Einiges mache ich jetzt aber auch bewusst anders.

Je mehr Zeit ich mit Ecotastic verbringe, desto mehr Schwachstellen fallen mir auf. Die Ak­tio­nen, die ich sehe, sind durchweg so banal wie meine eigenen, Kreativität sucht man vergebens. Aber Spaß macht es trotzdem – wenn da nicht dieses kleine schlechte Gewissen wäre, ständig stromintensive Rechnerkapazitäten zu nutzen, nur um der Welt zu zeigen, was ich Gutes tue.

Dominik Schneider