Berlin statt Boston

JAZZ Der gebürtige Berliner Saxofonist Philipp Gropper bereist ständig Europa – nun tritt er mit „Philm“ in Schöneberg auf

„Es geht darum, eine starke Sprache zu entwickeln“: Philipp Gropper Foto: Oliver Potratz

von Franziska Buhre

Es ist wenig überraschend: JazzmusikerInnen verdienen sich ihr Leben in Berlin anderswo in Deutschland und Europa, da die Gagen in der Hauptstadt kaum zur Existenzsicherung reichen. Bis vor wenigen Tagen war der Musiker Philipp Gropper noch mit seiner Band Philm auf Tour – in Österreich, Tschechien, in der Schweiz und England. Ein bemerkenswerter Bewegungsradius für eine Band – der zeigt, wie konsequent der Bandleader ihr Profil ausdifferenziert hat und wie nachhaltig vernetzt er inzwischen ist.

Gropper hat seine Heimatstadt Berlin nie verlassen müssen, um dem Ruf der Musik zu folgen. Nach der Wende kamen mehr und mehr Musikerinnen und Musiker aus anderen Städten und Ländern an die Spree; mit einigen von ihnen gründete Gropper Bands. Er ist der einzige gebürtige Berliner unter den Musikern, die 2007 das Jazzkollektiv Berlin ins Leben riefen. In diesen Tagen erhält Gropper das Arbeits- und Recherchestipendium „Jazz 2015“, das aus City-Tax-Mitteln finanziert wird.

Geboren 1978 in Westberlin, wächst Gropper in Charlottenburg auf. Seine Eltern hören viel Jazz, zum Beispiel Aufnahmen der Saxofonisten Charlie Parker und John Coltrane. Groppers Mutter spielt Saxofon, sein Vater Trompete – mit sieben Jahren greift er zu Ersterem, sein Zwillingsbruder zur Trompete. An der Musikschule Charlottenburg-Wilmersdorf spielen sie in Jazzbands für Kinder unter Leitung des Saxofonisten Christof Griese, später steigt Philipp auch bei Grieses „Berlin Jazz Composers Orchestra“ ein. Jay Jay Be Ce, so die Kurzform, führt ausschließlich Stücke Berliner KomponistInnen auf und ist bis heute aktiv.

Gropper sieht im Quasimodo, damals für Jazzenthusiasten eine Topadresse, Konzerte US-amerikanischer Größen, etwa von Trompeter Don Cherry oder den Tenorsaxofonisten Michael Brecker und Wayne Shorter. Mit einem Freund macht er Straßenmusik. Beide erhalten später Stipendien für das renommierte Berklee College of Music in Boston. Gropper aber bleibt in Berlin.

In der einstigen Institution unter Westberliner Clubs, dem Flöz, eröffnet er Ende der 1990er Jahre einmal wöchentlich eine eigenes Format, die „Session“. Seine Mitmusiker studieren da bereits an der Universität der Künste, Gropper wird dort schließlich auch zum Studium aufgenommen. Im Bundesjazz­orchester lernt er den Gitarristen Ronny Graupe kennen, gemeinsam mit dem Schlagzeuger Christian Lillinger, der in Dresden studiert, gründen sie 2003 das Trio Hyperactive Kid. „Ich höre oft, wir würden Free Jazz spielen, das ist aber ein Missverständnis“, sagt Gropper im Gespräch, „wir spielen sehr komplexe Kompositionen. Auch in meinen anderen Bands geht es immer darum, ob jemand eine starke Sprache entwickelt, die in sich logisch ist und mit den anderen geteilt wird. So erarbeiten wir uns in einem kollektiven Prozess eine Basis, auf der wir uns gemeinsam musikalisch bewegen können.“

Philm ab

„Das Risiko, Dingezu wagen, lohntsich meist“

Philipp Gropper

2007 schließlich lernt Gropper in Dänemark den Bassisten Andreas Lang kennen. Als der kurz darauf nach Berlin zieht, jammen sie fast jeden Tag als Duo. Schlagzeuger Oliver Steidle kennt Gropper seit Anfang der nuller Jahre. Der Erstbesetzung von Philm, die sich 2011 zusammenfinden, gehört auch der Berliner Pianist Carsten Daerr an.

Um ihren Lebensunterhalt zu verdienen, spielen die Mitglieder in anderen Projekten, die Zeit zum Proben muss sich jeder von ihnen erst freiräumen. Regelmäßig Auftrittsmöglichkeiten zu haben ist allein deshalb wichtig, um den Austausch mit dem Publikum zu ermöglichen. Das jüngste Album der Gruppe, nun mit Elias Stemeseder am Klavier, erschien 2014, es heißt „The Madman Of Naranam“.

„Ich finde es unheimlich wertvoll, wenn man sich über einen längeren Zeitraum mit einer Band auseinandersetzen kann. Da wird es spannend, weil eine Freiheit über die komplexen Formen entsteht. Wenn dann etwas passiert, das uns alle mitreißt, ist es wertvoll – auch für die Zuhörer. Das Risiko, Dinge zu wagen, lohnt sich meist.“ Für die jüngste Tour schrieb Gropper neue Stücke. Inzwischen, so Gropper, hätten die Musiker die Stücke verinnerlicht und „Luft für andere musikalische Ebenen“, wie er es ausdrückt. Sein eigener Anspruch ist, die Musik in jeder Band auswendig zu spielen – bei Konzerten in Berlin und anderswo.

Philm live: 7. und 29.10., Zig Zag Jazz Club, Hauptstr. 89, Schöneberg