Junge Flüchtlinge in Deutschland

UNBEGLEITET Kinder und Jugendliche leiden wohl am stärksten unter Kriegen, Gewalt und Flucht. Schätzungen zufolge werden Ende des Jahres 10.000 minderjährige Flüchtlinge nach Deutschland gekommen sein – einige Fragen und Antworten dazu

von Sidra, 13 Jahre Foto: Hasan Hüseyin Deveci

Wer wird als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling bezeichnet?

Menschen, die noch nicht volljährig sind und ohne Sorgeberechtigten in ein anderes Land flüchten. Sie wurden entweder von der Familie allein nach Europa geschickt, haben ihre Familie zuvor im Krieg verloren oder verlieren ihre Angehörige auf der Flucht.

Wie viele ­minderjährige Flüchtlinge gibt es in Deutschland?

Unicef geht davon aus, dass sich 2013 36.600 Flüchtlingskinder in Deutschland aufhielten. Experten rechnen für 2015 mit 10.000 neu einreisenden Jugendlichen. Im Jahr 2014 sind Schätzungen von Deutschen Sozialverbänden zufolge etwa 10.000 unbegleitete Minderjährige nach Deutschland gekommen; 4.399 davon haben einen Asylantrag gestellt.

Und weltweit?

Laut UN-Flüchtlingshilfe gab es 2014 weltweit etwa 57 Millionen Flüchtlinge, etwa die Hälfte soll unter 18 Jahre alt sein.

Wie alt sind sie?

In den vergangenen Jahren waren in Deutschland etwa 70 Prozent der minderjährigen Flüchtlinge bei der Inobhutnahme 16 oder 17 Jahre alt. Etwa jeder vierte war 14 oder 15 Jahre alt, und etwa 6 Prozent war jünger als 14 Jahre. Zwischen 2010 und 2013 hat sich die Anzahl der 16- bis unter 18-Jährigen allein einreisender Mädchen verdoppelt, die Zahl der Jungen beinahe verdreifacht.

Wie sind die Inobhutnahmen über die Länder verteilt?

2013 wurden nach Angaben des Statistischen Bundesamts 6.584 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Obhut genommen. Das sind über 1.800 mehr als noch im Jahr 2012. Bis Ende April 2015 wurden insgesamt 2.171 Jugendliche regis­triert und betreut. In Bayern sind laut Behörden 575 Jugendliche in Obhut. Das entspricht einem Anteil an allen Inobhutnahmen von 26,5 Prozent. Es folgen Hessen (15,1), Hamburg (13,0), Nordrhein-Westfalen (11,0), Mecklenburg-Vorpommern (0,7) und Sachsen-Anhalt (0,3).

Beantragen alle hier Asyl?

Im Vorjahr stellten von geschätzten 10.000 minderjährigen Flüchtlingen 4.398 Erstanträge auf Asyl (2008 waren es 770). Wie schon erwähnt nennt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge für die Zeit von Januar bis April 2015 bereits 2.171 Anträge.

Gibt es spezielle Fluchtursachen?

Die Fluchtgründe sind unter anderem Krieg, Einsatz als Kindersoldaten, Zwangsheirat, wirtschaftliche Not und Gewalt in der Familie.

Wie ist das Verhältnis zwischen Mädchen und Jungen?

Die Mädchen sind klar in der Unterzahl. Pro Jahr sind etwa 80 bis 90 Prozent der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge männlich.

Woher kommen sie?

2014 waren folgende Länder die Hauptherkunftsländer, geordnet nach Häufigkeit: Afghanistan, Eritrea, Somalia und Syrien.

Über welche Grenzen kommen die meisten jungen Flüchtlinge?

Die meisten unbegleiteten Jugendlichen kommen über die österreichische und die französische Grenze nach Deutschland.

Kommen sie auch an deutschen Flughäfen an?

Zwischen 2010 und 2014 sind es weniger geworden, im Jahr 2014 waren es nur 18 – insgesamt waren es in diesen 5 Jahren 182 unbegleitete Minderjährige. Die meisten kamen aus Afghanistan.

Wie kann man helfen?

Es gibt die Möglichkeit, sich um eine ehrenamtliche Vormundschaft für einen unbegleiteten minderjährigen Flüchtling zu bemühen. Das setzt natürlich eine entsprechende Schulung und Prüfung voraus. Vormundschaften können von Stadt zu Stadt unterschiedlich aussehen. Am besten erkundigen Sie sich nach den jeweiligen Möglichkeiten. Außerdem gibt es Netzwerke, die ehrenamtliche Sprachkurse organisieren. Während Kinder meist Deutsch lernen, wenn sie eingeschult werden, ist die Lage für Jugendliche ab 15 schwieriger. Meist wird noch nach Lehrern und auch Sachspenden wie Schreibmaterialien und Wörterbüchern gesucht.

Recherche: Saskia Hödl; Quellen: Unicef, Diakonie Deutschland, Statistisches Bundesamt, Deutscher Bundestag Drucksache 18/5564 und 18/3850, UNO Flüchtlingshilfe, epd, AKINDA