HANDBALL Vor der Wahl des neuen Verbandspräsidenten ist es seltsam ruhig. Doch die Kür von Andreas Michelmann war heftig umstritten: Verordnete Harmonie
AUS BERLIN TILLMANN BAUER
Es ist aktuell verdächtig ruhig rund um das Präsidium des Deutschen Handball-Bundes, und das so kurz vor der Wahl des neuen Präsidenten am heutigen Samstag in Hannover. Es gibt nur diesen einen Kandidaten, Andreas Michelmann – kein spannendes Duell, keinen Streit. Wenn man nichts von der ganzen Vorgeschichte wüsste, könnte man meinen, der deutsche Handball sei ein Hort der Harmonie. Doch harmonisch ist an der DHB-Spitze nicht viel.
Denn es gab den 22. März dieses Jahres. Es war der Tag, an dem der damalige Präsident Bernhard Bauer seinen Rücktritt bekannt gab. Grund war, dass bei gewissen Personen „immer wieder Eigeninteressen eine gewichtige Rolle“ gespielt hätten. Diese Aussage saß, denn jeder wusste, wen Bauer damit meinte: Bob Hanning, DHB-Vizepräsident und gleichzeitig Manager der Füchse Berlin, musste sich schon oftmals Vorwürfe aufgrund seines angeblich arroganten Auftretens gefallen lassen.
Die Person Hanning teilt den deutschen Handball in zwei Lager: Die Befürworter bewundern ihn wegen seinem Arbeitsethos und seiner fachlichen Kompetenz. Seine Gegner werfen ihm Machtgier, regelmäßige Alleingänge und die Verquickung seiner Ämter in Verein und Verband vor. Sein prominentester Kritiker ist der ehemalige Bundestrainer Heiner Brand. Die Ikone des deutschen Handballs hatte Hanning „eine sehr narzisstische Persönlichkeitsausprägung“ vorgeworfen. Die beiden reden kein Wort mehr miteinander.
Narzissmus hin oder her, sich selbst kann Hanning richtig einschätzen „Ich bin als Präsident völlig ungeeignet“, ließ er eine Woche nach Bauers Rücktritt wissen, und dass er sein Amt als Vizepräsident behalten möchte. Kurz darauf teilte der DHB in einer offiziellen Erklärung mit, es gebe nur einen Kandidaten, den bisherigen Vizepräsidenten für Amateur und Breitensport, Andreas Michelmann. Der Sportfunktionär ist ehemaliger Präsident des Handball-Verbandes Sachsen-Anhalt und dazu Bürgermeister der 30.000 Einwohner zählenden Stadt Aschersleben.
Andreas Michelmann über Bob Hanning
Für Michelmann gab es aber im Juli ordentlich Gegenwind. Der Landesverband Württemberg reichte einen Antrag auf Abwahl des gesamten DHB-Präsidiums ein, die drei großen Landesverbände Bayern, Niedersachsen und Hessen begrüßten diesen ausdrücklich. Es hieß, der Kandidat auf den Präsidentschaftsposten „soll nicht aus den Reihen der derzeitigen Vizepräsidenten kommen“. Ein klares Votum gegen Michelmann.
Nach einer weiteren Krisensitzung in Kassel standen nun Michelmann und Bauer als Topkandidaten fest. Denn Bauer hatte zuvor öffentlich von einer Rückkehr in sein Amt gesprochen – unter einer Bedingung: Hanning müsse dafür seinen Platz räumen.
Also kündigte sich ein Zweikampf um die DHB-Spitze an; doch dann zog der Landesverband Württemberg seinen Antrag plötzlich zurück. Weil Hannings Doppelfunktion in Verein und Verband damit gesichert war, scheiterte Bauers Rückkehr.
Die große Frage ist nur, warum der Landesverband Württemberg so plötzlich den Antrag wieder zurückgezogen hat. Präsident Hans Artschwager drückte sich auf taz-Anfrage um eine Erklärung, er sagte lediglich, man habe „sich geeinigt, einen gemeinsamen Entwicklungsprozess mit neuen Strukturen anzuschieben“. So richtig äußern wollte sich aber keiner dazu; auch die drei unterstützenden Landesverbände redeten um den heißen Brei und verwiesen auf Württemberg, man selbst habe ja nie einen Antrag gestellt. Wahrscheinlich war der Druck des DHB-Präsidiums um Hanning dann doch zu groß.
Michelmann wird aller Voraussicht nach am Samstag zum neuen DHB-Präsidenten gewählt werden. Selbstbewusst hatte er bereits seine Ziele formuliert. Deutschland möchte er „zur Handballnation der zwanziger Jahre“ machen, gab zudem das Fernziel „Olympiasieg 2020“ aus.
Es wird spannend zu sehen, wie die Zusammenarbeit mit den Landesverbänden und DHB-Vize Hanning funktioniert. „Ich komme gut mit ihm klar, natürlich hat er Ecken und Kanten, das weiß jeder. Aber ich schätze ihn als absolut kompetenten Mann, mit einer Mischung aus fachlichem Wissen, Klugheit und auch Intuition“, hatte sich Michelmann über seinen Kollegen geäußert. Darüber hinaus plädiert Michelmann für eine gute Zusammenarbeit und Absprache: „Am Ende verbindet uns alle der Sport, und den wollen wir alle erfolgreich gestalten.“
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