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Friede, Freude, gleiche Renten

Deutsche Einheit Die Bundesregierung lobt sich 25 Jahre nach der Wende für einen tollen Aufbau Ost. Die letzten Ungerechtigkeiten will man auch noch irgendwie beseitigen

Keine blühende Landschaft, zumindest hier nicht: Szene aus Storkow Foto: Manfred Mayer

aus Berlin Johanna Roth

Die Feierlichkeiten zur Silberhochzeit von Ost und West stehen kurz bevor. Die Bundesregierung gratuliert sich schon mal vorab mit dem neuen „Jahresbericht zum Stand der Deutschen Einheit“ und freut sich, wie frei und demokratisch das Land geworden ist: „Die Bilanz aus 25 Jahren Deutsche Einheit kann sich sehen lassen.“

Gleichzeitig muss sie zugeben, dass noch immer keine Gerechtigkeit herrscht. Das drückt sich vor allem im Wörtchen „aber“ aus. Die Arbeitslosenquote ist im Osten so gering wie nie. Aber: Im Westen ist sie immer noch deutlich geringer. Die Wirtschaftskraft Ostdeutschlands hat sich mehr als verdoppelt. Aber: Sie ist immer noch ein Drittel niedriger als im Westen. Die Rechtseinheit ist weitgehend hergestellt. Aber: Die Rentenberechnung ist immer noch unterschiedlich.

Ganz rauslassen, möchte man sie also nicht, die Euphorie. Die Regierung konzentriert sich lieber auf das Jahr 1990. Und selbst da steht, verschämt ans Ende des ersten Kapitels gerückt, nur der „Versuch einer Würdigung“: Die Ostdeutschen hätten den Umbruch „bravourös gemeistert“, gefolgt von einer „großartigen Leistung der Solidargemeinschaft“. Rührung und Lob zwischen Zahlen und Statistiken. Kein Grußwort, keine Unterschrift.

Dabei legt Wirtschaftsstaatssekretärin Iris Gleicke Wert auf die Feststellung, dass längst nicht alles in Ordnung ist. Als Ostbeauftragte der Regierung ist sie zuständig für die Präsentation des Berichts. Und gibt sich, frei nach Merkel, optimistisch: „Den Rest schaffen wir auch noch!“

Der Rest, das sind vor allem die Renten. Die will Gleicke anpacken und bis 2019 endgültig Angleichung erreichen. Dafür wolle man noch in dieser Legislaturperiode eine entsprechende Regelung auf den Weg bringen. Bisher steht das Vorhaben nur im schwarz-roten Koalitionsvertrag. Bezahlt werden soll die Angleichung nicht aus den Rentenbeiträgen, sondern aus dem Steuertopf, so Gleicke. Es handle sich schließlich um eine Folge der deutschen Teilung.

Ein Sorgenkind bleiben auch die fehlenden Investitionen in Ostdeutschland. Klar, die Wirtschaft im Osten wächst. Das Problem: die im Westen auch. Man verfolge ein sich bewegendes Ziel, sagt Gleicke. Diesen Aufholprozess zu beschleunigen, ist nicht so einfach: Die Wirtschaft im Osten sei einfach zu kleinteilig und international zu schlecht vernetzt.

Die ostdeutschen Firmen müssten „aus sich heraus wachsen“, so Gleicke. Und, das ist ihr wichtig, Zuwanderung als ökonomische Chance anerkennen, „klare Kante“ gegenüber Fremdenhass zeigen.

„Den Rest schaffen wir auch noch“

Ostbeauftragte Iris Gleicke

Auch im Westen fördern

Aber eigentlich geht es gar nicht mehr nur um den Osten. Strukturschwache Regionen, das betont Gleicke immer wieder, gebe es schließlich in beiden Teilen Deutschlands, auch im Westen. Denen soll nun geholfen werden, indem ein gesamtdeutsches Fördersystem erarbeitet wird. Das ist eine Art, dem Ziel der Einheit auch politisch Rechnung zu tragen. Und an die gesellschaftliche Errungenschaft anzuschließen, die im Bericht so gelobt wird: Einigkeit. Wobei ein Drittel der Wessis noch nie im Osten war, wie eine Stern-Umfrage gerade herausfand.

Letztlich lautet das Fazit also: Wir haben den schmuddeligen Osten zu einem besseren Osten gemacht. Aber so richtig Westen ist er immer noch nicht. Bleibt die Frage, ob Gleickes Posten nicht bald in „Ländergleichstellungsbeauftragte“ umbenannt werden sollte.

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