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Alltag Éric Vazzoler kann und will den Krieg in der Ukraine nicht fotografieren. Stattdessen organisierte er Fotoworkshops für junge Erwachsene in DonezkMorgen war der Krieg

Von Ulrich Gutmair

Ein Junge macht Breakdance, ein anderer raucht Schischa. Soldatinnen posieren für die Schönheitsparade am Tag der Frau. Manche dieser Aufnahmen würden in Friedenszeiten nicht anders aussehen, manche würde es gar nicht geben.

Die Fotos dieser Doppelseite sind in Donezk und Umgebung entstanden, auf dem Gebiet der selbsternannten Donezker Volksrepublik. Der in Paris geborene Fotograf Éric Vazzoler von der Agentur Zeitenspiegel hat in den vergangenen zwanzig Jahren mehrmals Reisen in die Ukraine unternommen. Im Frühjahr hat er eine Reihe von Workshops mit jungen Erwachsenen im Donbass organisiert, darunter Anastasja Wojtowa, Renata Pisarewa und Wladislaw Motornej.

„Ich habe die drei im Haus der Jugend und der Kunst in Donezk getroffen“, erzählt der Fotograf. „Sie sind Mitglieder im Jugendpresseclub. Anastasja (24) lebt fern von Donezk und fährt täglich mit Minibussen durch die Checkpoints. Eine gefährliche Fahrt. Wladislaw (19) hat sein Studium abgebrochen, weil er eine Feststelle als Reporter bei einem lokalen Fernsehkanal bekommen hat. Renata (19) war ruhig und zurückhaltend. Einige Wochen nach dem Workshop ist sie mit ihrer Familie nach Kiew umgezogen. Sie war eine der wenigen, die ihre Themen selbst gefunden hat.“

Warum gibt ein Fotograf an diesem Ort die Kamera aus der Hand? „Ich schaffe es nicht, selbst zu fotografieren. Den Krieg kann und will ich nicht fotografieren“, sagt Éric Vazzoler. „Und wenn es keine Hoffnung gibt, kann ich auch nicht die Jugend in der Ukraine fotografieren.“

So machten sich die Jugendlichen selbst Bilder ihrer Welt. Renata Pisarewa hat mehrere Serien produziert. Eine von ihnen zeigt Schwestern aus der Traumatologie eines Donezker Krankenhauses. Renata begleitete Freiwillige, die auf der Kinderkrebsstation Zeit mit den jungen Patienten verbringen. Sie fotografierte aber auch eine Aufführung von Studenten der Theatergruppe Na Grani der Universität Donezk.

Das Stück „Morgen war der Krieg“ basiert auf einem Roman von Boris Wasiljew, dessen Protagonistin ein junges Mädchen ist. Während des Kriegs gegen Nazideutschland trägt es in der Schule Gedichte eines verbannten Lyrikers vor. Am nächsten Tag wird ihr Vater verhaftet.

So weist uns ein Foto, das vier Mädchenbeine zeigt, darauf hin, dass es nicht nur Militärparaden in Donezk gibt, sondern auch ein Nachdenken darüber, wie der Krieg die Gesellschaft prägt.

Éric VazzolersBlog „Pics for ­Peace“: http://arguments.photo

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