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Der kurze Sommer der Flüchtlingsliebe

KAMPAGNE Mit Sympathiewerbung für Flüchtlinge hat die „Bild“-Zeitung eine zivilisierende Wirkung ausgeübt

von Daniel Bax

Es war nur eine Frage der Zeit, wie lange die Euphorie anhalten würde. Ewig konnte das so ja nicht weitergehen. Doch seit Montag scheint es, als ob der kurze Sommer der Flüchtlingsliebe bereits wieder seinem Ende entgegengeht, kaum dass er so richtig begonnen hat. Aber schön war er doch. Und dass die Mehrheit der Deutschen gegenüber Flüchtlingen in den letzten Wochen so positiv eingestellt war, die Hilfsbereitschaft so groß und die Stimmung so euphorisch, dass manche Flüchtlinge auf deutschen Bahnhöfen sogar mit Applaus begrüßt wurden, daran hat die Bild-Zeitung einen maßgeblichen Anteil gehabt.

Mit ihrer Sympathiewerbung für Flüchtlinge hat die Bild-Zeitung in den vergangenen Wochen Freund und Feind verwirrt. Gerade noch gegen „Pleite-Griechen“ gehetzt, jetzt notleidende Flüchtlinge aus Syrien geherzt? Es fällt leicht, dem Springer-Verlag deswegen Verlogenheit vorzuwerfen, denn er kann bekanntlich auch ganz anders. Aber man darf nicht unterschätzen, welch zivilisierenden Einfluss die Bild-Zeitung mit ihrer Berichterstattung auf die deutsche Asyldebatte gehabt hat. Das sollte man nicht geringschätzen, denn es hätte ganz anders sein können.

An manchen Tagen war die Bild-Zeitung kaum wiederzuerkennen, so dass man sich beim Lesen die Augen reiben musste. Konsequent zogen die Blattmacher alle Register des Kampagnenjournalismus, den sie nun einmal konsequent beherrschen, nur diesmal, um für Mitgefühl mit dem Schicksal der Flüchtlinge zu werben.

Betroffenheitsjournalismus

Nicht nur dass sie den Antifa-Slogan „Refugees Welcome“ kaperte und für sich übernahm – mit ihrer „Wir helfen“-Aktion im „Ein Herz für Kinder“-Stil setzten sie noch eins drauf und brachte gleich mehrere Minister wie SPD-Chef Sigmar Gabriel dazu, sich den Slogan als Button ans Revers zu heften. Der Bild-Chefreporter Paul Ronzheimer begleitete einen Flüchtling aus Syrien auf seiner gefährlichen Reise nach Deutschland, machte daraus eine Serie in der Bild und setzte sich in einer Talkshow für ihn ein, als der ungarische Botschafter mit Unterstellungen gegen Flüchtlinge wie ihn zu Felde zog.

Das berühmte Bild des toten, dreijährigen Aylan am Strand von Bodrum veröffentlichte Bild auf einer ganzen Seite, nur mit ein paar anklagenden Zeilen untermalt: solch lupenreinen Betroffenheitsjournalismus traut sich heute keine linke Zeitung mehr.

Der Höhepunkt dieses Love­storms war aber zweifellos der Stadtplan in arabischer Sprache, damit sich die Flüchtlinge besser in der Hauptstadt zurechtfinden. Er lag in der vergangenen Woche der Berlin-Ausgabe von Bild bei.

Der Lovestorm-Höhepunkt war der Stadtplan in arabischer Sprache

Notorische „Asylkritiker“ kamen dagegen kaum zu Wort: Thilo Sarrazin musste sogar auf die bürgerliche Zeit ausweichen, um seine plakative Forderung unterzubringen, Flüchtlingsboote zu versenken – die Bild zitierte ihn damit nicht einmal. Das ist eine bemerkenswerte Wende, denn in der Sarrazin-Debatte vor fünf Jahren hatte Bild die Regierung noch vor sich hergetrieben und populäre Ressentiments geschürt. „Das wird man doch mal sagen dürfen“, titelte das Blatt damals, wonach in vielen Onlineforen fast alle Dämme brachen. Doch seit Pegida und Heidenau unterstützt das Blatt sogar die Bemühungen von Politikern, die „Hetze gegen Flüchtlinge“ zu stoppen, und wirft jetzt Facebook vor, nicht genug gegen Hasskommentare zu unternehmen.

Dann kam die „Notbremse“

Es wäre schön, wenn die freundliche Stimmungsmache der Bild-Zeitung noch eine Weile anhalten würde. Für allzu große Hoffnungen besteht aber wenig Anlass. Am Montag lag das Boulevardblatt auch in Sachen Grenzkontrollen wieder ganz auf Regierungslinie, redete auf seiner Titelseite von „Flüchtlings-Chaos“, von einem „Massenansturm“ und einer „Notbremse“, die gezogen werden müsse – alles alarmistische Signalworte, die es in den vergangenen Wochen sorgsam vermieden hatte. Wer mit der Bild-Zeitung im Fahrstuhl nach oben fährt, der fährt mit ihr auch wieder nach unten, lautet ein bekanntes Bonmot. Diese Lektion in deutscher Medienlogik dürfen jetzt auch die Flüchtlinge aus Syrien kennenlernen.

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