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Erst mal zu Fuß nach Kopenhagen

Blockade Die dänische Polizei versucht zeitweise, Flüchtlinge an einer Weiterfahrt nach Schweden zu hindern. Dort werden die Neuankömmlinge von Helfern und dem Ministerpräsidenten willkommen geheißen

Ein langer Weg nach Schweden: Flüchtlinge auf der Autobahn im südlichen Dänemark Foto: Ernst von Norde/ap

Aus Stockholm Reinhard Wolff

Nacht zum Donnerstag, kurz vor Mitternacht: Die dänische Polizei gibt auf. Einen Tag lang haben die Beamten im Bahnhof von Rødbyhavn zwei Züge von Hamburg nach Kopenhagen mit Flüchtlingen an Bord umzingelt. Jetzt ziehen sie sich zurück. Die rund 200 Menschen strömen aus den Waggons auf den Parkplatz vor dem Grenzbahnhof. Dort haben teilweise schon den ganzen Tag über DänInnen gewartet, die Aufrufen gefolgt sind, den Flüchtlingen mit ihren Privatautos bei der Weiterfahrt nach Schweden zu helfen.

Dahin wollen die meisten Flüchtlinge, die seit Sonntag nach Dänemark gekommen sind. Diesen Transit hat Kopenhagen blockiert. Entweder würden die Flüchtlinge sich als Asylsuchende registrieren und in eine Sammelunterkunft bringen lassen oder nach Deutschland zurückgeschickt werden. Doch nur etwa ein Zehntel der rund 3.000 Flüchtlinge wollen in Dänemark einen Asylantrag stellen. Nach Deutschland zurück wollen sie auch nicht.

Der Stau, den die Blockade verursacht, führt zu chaotischen Zuständen. Mehrfach durchbrechen Hunderte der an der Grenze festgehaltenen Flüchtlinge die Polizeiketten und machen sich zu Fuß auf den Weg Richtung Kopenhagen. Die Polizei ist gezwungen, die Autobahn zeitweise zu sperren. Am Mittwochnachmittag eskaliert die Situation weiter, woraufhin die Einstellung des gesamten Zugverkehrs mit Deutschland angeordnet wird.

Am Donnerstagmorgen vollzieht Kopenhagen eine Kehrtwende: Flüchtlinge hätten von nun an die Möglichkeit die Grenze zu überschreiten, auch wenn sie nicht in Dänemark Asyl beantragen, sondern das Land nur Richtung Schweden durchqueren wollten. Und auch der grenzüberschreitende Bahnverkehr wird größtenteils wiederaufgenommen.

Nach dem Dublin-Abkommen habe Dänemark sich korrekt verhalten, meint Gerd Battrup, Lektor am Institut für Grenzregionsforschung der Süddänischen Universität: Aber auf der Fluchtroute nach Schweden sei Dänemark das einzige Land gewesen, das derzeit das Dublin-Abkommen ernst nehmen wollte. Auch wenn man sich damit als „Skandinaviens Ungarn“ positionierte, wie die liberale Tageszeitung Politiken am Donnerstag kommentiert.

Die spektakulären Bilder von den gezielten Grenzkontrollen dürften der rechtsliberalen Regierung in Kopenhagen ins Kalkül passen. Der seit Juni amtierende Premier Lars Løkke Rasmussen hatte den DänInnen eine strengere Flüchtlingspolitik versprochen und lässt sich die Ausländerpolitik von der rechtspopulistischen Dänischen Volkspartei diktieren. Die spricht von „Wildwestzuständen“ plädiert für die Wiedereinführung lückenloser Grenzkontrollen und will angesichts der „Flüchtlingswelle“ gleich den gesamten Fährverkehr nach Dänemark stoppen.

Im südschwedischen Malmö treffen im Laufe des Donnerstagvormittags die ersten 300 „Dänemark-Flüchtlinge“ ein. Sie werden dort von freiwilligen HelferInnen in Empfang genommen. Zur Mittagszeit präsentiert Schwedens rot-grüne Regierung ein neues „Etablierungsprogramm“, das Neuankömmlinge schneller in den Arbeitsmarkt bringen soll, und kündigt ein „Schweden gemeinsam“-Projekt an, mit dem Politik, Arbeitgeber, Gewerkschaften und gesellschaftliche Institutionen ihre Integrationsbemühungen koordinieren und verstärken sollen.

Dänemark sei „Skandinaviens Ungarn“ schreibt die liberale Tageszeitung „Politiken“

Schweden hat 2014 rund 80.000 Flüchtlinge aufgenommen. Proportional zur Bevölkerung sind das fast viermal so viel wie Deutschland. Für dieses Jahr rechnet man bislang mit einer ähnlichen Zahl. „Das schaffen wir“, sagte Ministerpräsident Stefan Löfvén am Sonntag auf einer Demonstration unter dem Motto „Flüchtlinge willkommen“ in Stockholm.

Und er betonte, er sei „stolz“, Regierungschef eines Landes zu sein, dessen Bevölkerung in ihrer Mehrheit diese Menschen mit offenen Armen empfange. Doch angesichts massiver Belastungen des Wohn- und Arbeitsmarkts wünsche man eine solidarische Lastenverteilung, betonte Löfvén am Dienstag bei einem Besuch bei Kanzlerin Merkel.

Schweden erteilt syrischen Flüchtlingen seit 2013 pauschal unbefristete Aufenthaltsgenehmigungen. Schon damals schlug Stockholm eine Art Quotenschlüssel vor und plädierte für die Öffnung legaler Fluchtwege nach Europa. Löfvén wiederholte jetzt diese Forderung, lehnt einen schwedischen Alleingang bislang aber ab.

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