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Der Kampf gegen die Familienbürde

TENNIS Vermutlich wird Serena Williams im Viertelfinale der US-Open auf dem Weg zum einzigartigen Grand-Slam-Gewinnauch nicht von ihrer Schwester Venus aufgehalten. Mittlerweile können die beiden ihre argwöhnisch beäugten Duelle genießen

NEW YORK taz | Zum 27. Mal werden die berühmten Schwestern am Dienstag gegeneinander spielen, und manche sind der Überzeugung, die Frage über den Ausgang dieser Partie sei in etwa so spannend wie die Ungewissheit, ob am nächsten Abend die Sonne untergehen wird. Die letzte Niederlage der 15 Monate jüngeren, zehn Zentimeter kleineren Serena bei einem der großen vier Turniere liegt rund sieben Jahre zurück; das war im Finale von Wimbledon, als Venus den siebten und bislang letzten Grand-Slam-Titel ihrer Karriere gewann. Beim Duell Nummer 26 vor ein paar Wochen an gleicher Stelle hatte Serena die Sache sehr eindeutig im Griff gehabt, und nichts anderes erwartet die Tenniswelt auch diesmal.

Denn ist es wirklich vorstellbar, dass Serena im Viertelfinale ausgerechnet von der eigenen Schwester auf dem Weg zum Grand Slam aufgehalten werden könnte? Das ist eine Frage, die im Hause Williams wenig Gefallen findet. Sie erinnert ein wenig an die alten Vorwürfe aus der Anfangszeit, als Vater Richard Williams, der die Karriere der Töchter schon geplant hatte, als sie noch nicht auf der Welt gewesen waren, bisweilen unterstellt wurde, er habe konkrete Vorstellungen vom Ausgang eines Spiels. Serena versichert, es sei keinesfalls leicht, gegen die Schwester zu gewinnen. „Aus meiner Sicht spiele ich gegen die Beste des Turnier. Sie hat mich so oft besiegt, öfter als jede andere.“

Aber beide geben zu, die Ton­art habe sich verändert. Früher, vor allem zu der Zeit zwischen 2002 und 2003, als sie sich innerhalb von 13 Monaten fünfmal im Finale eines Grand-Slam-Turniers begegneten, mochten sie diese Spiele nicht. Einerseits stand zwar immer fest, dass eine aus dem Hause Williams mit dem Titel heimkommen würde. Aber es war eben auch klar, das die zweite, die gegen jede andere Spielerin gute Chancen auf den Sieg gehabt hätte, verlieren würde.

Serena sagt, mittlerweile mache es ihr Spaß, gegen Venus zu spielen. „Ich glaube, wir beide wissen die Gelegenheit zu schätzen, und wir sind froh, auf diesem Niveau immer noch dabei zu sein.“ Immer noch dabei zu sein – das ist eine nette Beschreibung der aktuellen Situation von der Weltranglistenersten. Doch die immer näher rückende Möglichkeit, nächsten Samstag nicht nur den fünften großen Titel in Folge zu gewinnen, sondern auch den echten, den einzigartigen Grand Slam, schien zu Beginn des Turniers wie ein Rucksack auf ihrem breiten Rücken zu drücken.

In der ersten Woche stritt sie im Training mit ihrem Hittingpartner Robbye Pole, schnauzte ihren französischen Coach Patrick Mouratoglou an und wirkte so friedvoll wie eine Kiste Dynamit. Sie behauptet zwar, für sie selbst sei diese ganze Slam-Geschichte nicht mehr so wichtig, seit sie in Wimbledon den vierten Titel in Folge gewonnen habe. Aber ob man das unbedingt glauben muss? Im Achtelfinale gegen Madison Keys (6:3, 6:3) spielte sie zum ersten Mal während des Turniers wie aus einem Guss.

Die Ältere ist eine stolze, eindrucksvoll in sich ruhende Frau; man würde sie mit der Unterstellung, sie werde der Schwester auf dem Weg zum Grand Slam ganz gewiss nicht im Wege stehen, heftig beleidigen. Und es ist auch schwer vorstellbar, dass es eine Familienorder für dieses Spiel geben könnte.

„Wir sind froh, auf diesem Niveau noch dabei zu sein“

Serena Williams

Und es gibt ja viele Bewunderer in der Tennisszene für die Art und Weise, wie sich die Williams’ im Duell der Schwestern bewähren. Der Weltranglistenerste der Männer, Novak Djokovic, der zwei jüngere Brüder hat, ist einer von ihnen. „Ehrlich, ich weiß nicht, ob ich in der Lage wäre, gegen meinen Bruder zu spielen“, sagt er. „Hut ab, wie sie mit der Situation umgehen. Die jagen sich über den Platz, und hinterher gehen sie zusammen nach Hause, als sei nichts geschehen. Ich könnte das nicht.“ Serena und Venus Williams können das seit 17 Jahren.

Doris Henkel

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