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Im Würgegriff von Samsung

SÜDKOREA Das Parlament in Seoul will den Einfluss mächtiger Familienunternehmen eindämmen

Dem kann keiner was: Chey Tae-won im Jahr 2013 Foto: Lee Jae Won/reuters

SEOUL taz | Als der Vorsitzende der SK-Gruppe, der Südkoreaner Chey Tae-won, im Januar 2013 seine vierjährige Haftstrafe antrat, wirkten die Bilder des Managers in Handschellen wie Balsam auf die erzürnte Volksseele.

Über 40 Millionen Dollar soll der 53-Jährige veruntreut haben, die Bevölkerung fürchtete, dass wieder mal ein Konzernerbe verschont bleibt. Völlig zu Recht: Bereits Mitte August ließ sich Chey bei einer Fabrik­eröffnung ablichten, neben sich die lächelnde Präsidentin Park Geun-hye und eine ganze Traube an Abgeordneten.

Das Justizministerium wolle dem Verurteilten „eine Chance geben, die Wirtschaft des Landes anzukurbeln“, hieß es in einem Statement. Im Gegenzug für Millionen-Investitionen konnte sich Tae-won quasi freikaufen. Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Gallup waren über die Hälfe aller Südkoreaner gegen die Freilassung.

Die Stimmung könnte durch die am Mittwoch startenden Parlamentssitzungen weiter umschlagen. Wie jedes Jahr im September laden die Parlamentarier eine ganze Reihe von Chae­bol-Vorständen ein, die sich vor den Abgeordneten auch für ihr Fehlverhalten rechtfertigen müssen. Die Liste ist lang wie selten zuvor: Samsung-Erbe Lee Jae-yong etwa wird zur Last gelegt, durch Missmanagement in diesem Jahr eine durch das Mers-Virus verursachte Epidemie beschleunigt zu haben. Fast die Hälfte aller 186 Mers-Patienten stammten aus dem vom Konzern betriebenen Krankenhaus – Profitgier ging offenbar zulasten der Sicherheit. Insgesamt starben 36 Menschen.

Der Vorstandschef der Fluglinie Korean Air muss sich Fragen über seine jüngst aus der Haft entlassene Tochter gefallen lassen, die einen Überseeflug aufgehalten hat, weil eine Stewardess ihr die Portion Macadamia-Nüsse nicht standesgemäß serviert hat. Auch beim koreanisch-japanischen Mischkonzern Lotte sorgt derzeit eine Familienfehde für Unruhe auf dem Aktienmarkt. Chaebols werden die familienbetriebenen Mischkonzerne in Südkorea genannt.

Einst bildeten sie den Motor für den Aufschwung des Landes, das binnen vier Jahrzehnten von einem der ärmsten Länder der Welt zu einer Industrienation aufstieg. Allen voran repräsentiert Lee Byung-chul Südkoreas neu gewonnenes Selbstbewusstsein: In den Nachkriegsjahren startete er als kleines Logistik­unternehmen, heute macht sein Samsung-Konzern fast ein Viertel des Bruttoinlandsprodukts aus. Floppt die nächste Generation von Galaxy Smartphones, kriselt das ganze Land.

Floppt das nächste Galaxy Smartphone, kriselt das Land

Längst hindert jedoch die Dominanz der Chaebols Südkoreas Wirtschaft, weil sie keinen Raum für einen gesunden Mittelstand zulässt. Die Oppositionspartei drängt nun, die mächtigen Chaebols zu reformieren. Vor allem geht es darum, die undurchsichtigen Eigentümerstrukturen transparenter zu machen und Steuerregelungen durchzusetzen.

Unter der amtierenden Präsidenten Park Geun-hye haben die Chaebol-Erben jedoch wenig zu befürchten, schließlich war es einst ihr Vater, der langjährige Diktator Park Chung-hee, der die Expansion der Familienunternehmen in den 60er Jahren maßgeblich vorangetrieben hatte. Fabian Kretschmer

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