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Nazi, lass uns reden

Filterproblem Facebook setzt bei hetzerischen Kommentaren künftig auf „Counterspeech“,also Leute, die dem Hass mit Gegenrede entgegentreten. Kann das klappen?

Counterspeech im wahren Leben Foto: imago

von Daniel Bouhs

Im analogen Leben müsste man sich Facebooks Konzept gegen Hass so vorstellen: Ein Nazi schmiert sein „Deutschland den Deutschen“ an die Wand und der Hausbesitzer lässt die Parole stehen, obwohl er selbst ganz anders denkt. Aber er wolle ja das öffentliche Meinungsbild nicht verfälschen. Wenn alles gut läuft, kommt bald jemand vorbei und sprayt wenigstens „Pfui!“ dazu oder „Nazis raus!“.

Nicht anders will das „asoziale Netzwerk“ (B.Z.) auch künftig mit den Hassbotschaften seiner Nutzer umgehen, so sie nicht unmittelbar zu Gewalt aufrufen. „Counterspeech“, also Gegenrede, heißt der Ansatz, den Face­book nach den USA nun auch hierzulande fördern will. Das ist das Ergebnis des Gesprächs zwischen Facebook und Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) am vergangenen Montag. Dazu kommen übliche Greenwashing-Versprechen: Eine Arbeitsgruppe gegen Hass im Netz soll gegründet und externe Projekte finanziell gefördert werden. Selbst etwas ändern, gar mehr Leute einsetzen, will Facebook nicht.

Hinter den Kulissen argumentiert Facebook so: Der US-Konzern wolle keine Beweise vernichten, die Gesellschaft müsse sehen, um welche Probleme – Nazis! – sie sich zu kümmern habe. Der mündige Bürger könne ja dagegenhalten.

Demo und Gegendemo, Rede und Gegenrede – kann das funktionieren? Experten können der Strategie in der Theorie etwas abgewinnen, haben für die Praxis aber Bedenken.

„Man bekommt keine Community geschenkt, in der einfach so Counterspeech betrieben wird“, sagt etwa Anna-Mareike Krause. Die Social-Media-Koordinatorin der „Tagesschau“ löscht mit ihren KollegInnen rassistische Beiträge und setzt dabei deutlich strengere Maßstäbe an als Facebook, so wie viele andere Medien auch.

Inzwischen halten auch immer mehr NutzerInnen gegen ätzende Parolen – aber eben nur, weil die Redaktion das vorlebe und immer wieder auch selbst einschreite, sagt Krause. „Man macht sich aber auch angreifbar, wenn man Gegenrede gegen Nazis betreibt.“ Niemand solle unterschätzen, was es bedeute, mit seinem Klarnamen gegen Nazis Stellung zu beziehen. „Counterspeech ist erst dann möglich, wenn wir selber eine klare Haltung gegen menschenverachtende Kommentare zeigen.“ Facebook selbst zeige in laufenden Debatten wiederum keine Präsenz.

In der deutschen Wissenschaft beschäftigt sich derzeit kaum einer so intensiv mit den Mechanismen sozialer Netzwerke wie Wolfgang Schweiger an der Universität Hohenheim. Für den Kommunikationsforscher sind Facebooks Algorithmen förmlich Brandbeschleuniger für Hasskommentare. Die „Filterblase“, die personalisierte Sicht auf das Internet, schaffe ein Klima, in der sich „ganz dumme Angeberei“ breitmache.

NutzerInnen würden meist nur die Botschaften Gleichgesinnter wahrnehmen. „Das bringt Menschen schnell zu dem Gefühl ‚Wir sind viele, wir sind eine dominante Gruppe, wir sind vielleicht sogar die Mehrheit in der Gesellschaft.‘“ An das Prinzip Gegenrede glaube er nur bedingt, denn Facebook sorge mit seinen Algorithmen selbst dafür, dass viele Hassbotschaften den Rest der Gesellschaft gar nicht erreichten – wie solle dann jemand dagegen anschreiben?

Schweiger fordert wie Justizminister Maas, Facebook müsse strenger gegen fremdenfeindliche Einträge vorgehen. Der Wissenschaftler sieht allerdings stärker als der Politiker auch den Staat in der Pflicht: „Wir brauchen sehr viel mehr Strafverfolger, die nach solchen Äußerungen suchen und dann dagegen vorgehen.“ Auf Facebook alleine wolle er sich jedenfalls nicht verlassen.

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