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THEATER

TheaterEsther Slevogtbetrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen

Ja, das hat uns gerade noch gefehlt: Peer Gynt ist dement. Das zumindest behauptet das Performancekollektiv Marcus & Marcus in seiner neuen Arbeit, die nun in den Sophiensälen herauskommt und dem berühmten Theaterhelden des norwegischen Dramatikers Henrik Ibsen gewidmet ist. Denn Peer Gynt muss irgendwann auf seiner langen Lebensreise in einem Irrenhaus (in Ägypten!) dem deutschen Doktor Begriffenfeldt beweisen, dass er er selber ist. Allerdings erst ziemlich am Ende des Original-Stücks, was aber nun zu einem Hauptmotiv dieser ak­tuellen Anverwandlung des Stoffes für das Alois-Alzheimer-Age (noch so ein deutscher Doktor!) wird (Sophiensäle: „Ibsen: Peer Gynt“, 3., 4., 5. 9., jeweils 20 Uhr).

Fast so berühmt wie der norwegische Bauernsohn Peer Gynt ist in der Welt der Dramatik der Berliner Schuster Wilhelm Voigt. Allerdings nicht unter seinem bürgerlichen Namen, sondern als „Der Hauptmann von Köpenick“. Denn als solcher gab der arbeitslose Voigt sich aus. Er sampelte sich bei verschiedenen Trödlern eine Hauptmannsuniform zusammen und übernahm mit Hilfe dieser Uniform kurzerhand den Befehl über eine Truppe zufällig auf der Straße vorbei marschierender Soldaten. Mit ihnen dringt er ins Rathaus ein und verhaftet den Bürgermeister. Ziel des Unternehmens, das vor mehr als 100 Jahren die ganze Welt über den deutschen Untertanengeist lachen ließ: an gültige Papiere zu kommen, um ein ehrliches Leben führen zu können. Carl Zuckmayer hat mit seinem Stück über diese wahre Begebenheit den Hauptmann und seinen tragikomischen (und vergeblichen) Streich unsterblich gemacht. Ab 9. September führt das renommierte Gefangenentheater „aufBruch“ die Geschichte über blinden Gehorsam und die Sehnsucht nach einer abgesicherten Zukunft open air in der Justizvollzugsanstalt Heidering in Großbeeren auf (JVA Heidering: „Der Hauptmann von Köpenick“, ab 9. 9., 18 Uhr. Alle Infos unter www.gefaengnistheater.de).

Die Geschichte einer psychischen Erkrankung erzählt der Roman „Drüberleben“ der Schriftstellerin und Poetry-­Slammerin Kathrin Weßling, der aus ihrem preisgekrönten Blog über die eigene Depression entstand. Der Regisseur Frank Oberhäußer, auch Mitglied des Performance-Kollektivs „Turbo Pascal“, bringt eine für einen Schauspieler und einen Laptop verfasste Theaterversion dieses Protokolls einer Depression und diverser Klinik­aufenthalte auf die Charlottenburger Vagantenbühne, wo mit dieser Produktion die neue Spielzeit startet. Motto: Depressionen sind doch kein Grund, traurig zu sein ­(Vagantenbühne: „Drüberleben“, ab 9.9., 20 Uhr).

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