Eine Übung in Erster Hilfe

HELFER Am Montag warten Freiwillige am Hauptbahnhof noch vergebens auf die Flüchtlinge

Montagabend, Hauptbahnhof. Auf Gleis 8 sollte jetzt eigentlich der Zug aus Budapest-Keleti eintreffen. Stattdessen eine Lautsprecherdurchsage: Die Einfahrt des Zuges verzögere sich um 35 Minuten. „Na klar“, schnaubt eine junge Blondine, wuchtet eine Ikea-Tasche auf die Schulter und winkt einer kleinen Gruppe Wartender: „Los, zum anderen Gleis!“

Am Nachmittag verbreitete sich in sozialen Netzwerken das Gerücht, dass Züge voller Flüchtlinge auf dem Weg zum Berliner Hauptbahnhof seien. Mit dem Morgenzug aus Budapest – dem letzten, der vor der Abriegelung des Bahnhofs Ungarn verlassen konnte. Oder aus München, wo man die in großer Zahl Ankommenden weiterschickt. Die Gerüchte haben auch Julia Grewe und ihre Freunde erreicht. Die Berlinerin, die seit Wochen vor dem Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) selbst geschmierte Brote an Flüchtlinge verteilt, hat sich spontan mit ihrer Ikea-Tüte voller Nutella- und Käsetoasts auf den Weg zum Bahnhof gemacht.

Rund zehn Freiwillige stehen am Gleis 8. Sie sind organisiert in Netzwerken wie „Berlin hilft Lageso“ oder „Moabit hilft“. Und sie haben sich auf mehrere Stunden Hilfe eingestellt: die Flüchtlinge zur Registrierung auf die nächste Polizeiwache begleiten; zu Fuß zum Lageso, wo Freiwillige warten, die die Vermittlung privater Notunterkünfte für die erste Nacht koordinieren. Ein langer Tag. „Ich habe heute noch fast nix gegessen“, stöhnt Grewe. Ihre eigenen Brote könne sie nicht mehr sehen. Außerdem brauchten die andere dringender.

Wenn sie denn kämen an diesem Abend. Auf Gleis sieben ist der Zug aus München pünktlich. Zwei Eritreer, eine Syrerin, ein Iraker steigen aus. „Chocolate or cheese?“, fragt Julia Grewe fröhlich. Aber die Reisenden winken ab, sie sehen erschöpft aus.

Auf Gleis 4 kommt jetzt der Zug aus Budapest an, aber kein einziger Flüchtling ist an Bord. Auch im nächsten Zug aus München nicht. Ratlosigkeit. „Einen Zug warten wir noch ab“, entscheidet ein Mann mit Rollkoffer. Danach müsse er nach Hause. Brot und Belag einkaufen. Für die nächste Morgenschicht.

Bedarf an den Broten wird es noch geben. Auch am Hauptbahnhof. In den nächsten Tagen werden mehrere Hundert Flüchtlinge aus Budapest er­wartet. Nina Apin