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Heimat ist mehr als nur ein Ort

Flüchtlinge Jede Woche kommen rund tausend Menschen in der Stadt an. Sie werden in Containerheimen und billigen Hostels untergebracht, in Traglufthallen und einstigen Rathäusern. Doch wichtiger als der Ort ist die Hilfsbereitschaft der Berliner

Von Alke Wierth

Wie mag es sein, wenn man seine Heimat verlässt, um anderswo neu anzufangen? Wenn man vor Krieg, Hunger, Bedrohung, Benachteiligung flüchtet in ein Land, dessen Sprache und dessen Gepflogenheiten man nicht kennt?

Viele Asylsuchende, die derzeit in Berlin ankommen, haben alles, was sie besaßen, verkauft, um ihre Reise in die Sicherheit finanzieren zu können. 2.000 bis 3.000 Euro zahlen Flüchtlinge an Schlepper auf dem Weg von der türkischen Mittelmeerküste nach Berlin – pro Person. Etwa so viel, wie deutsche Urlauber dort für mehrwöchige Ferien bezahlen – inklusive Hin- und Rückreise.

Wer hier ankommt, hat oft nicht mehr als das, was er am Körper trägt. Ist schmutzig, übermüdet, durstig, hungrig, manche sind traumatisiert von dem, was sie auf der Reise erlebten oder dem, was vorher in ihrem Heimatland geschah. Dem Heimatland, von dem viele wissen, dass sie es lange nicht, vielleicht niemals wiedersehen werden. Wo oft noch Angehörige leben, die weiter dem Schrecken ausgesetzt sind, vor dem die anderen flohen.

Voller Hoffnung

Trotzdem kommen viele dieser Menschen voller Hoffnung da­rauf, dass nun ein besseres, sicheres Leben beginnt, ein neues Leben, eine Überlebenschance. Sie wissen, dass es schwer werden wird. Und sie kommen mit dem Entschluss, diese Herausforderung anzunehmen.

Wie nehmen wir diese Menschen auf? Neu ankommende Flüchtlinge schlafen in Berlin auf Parkbänken und in U-Bahnhöfen. Registrierte wurden in Turnhallen und werden in einer Traglufthalle untergebracht, Alleinstehende in Heimen mit Mehrbettzimmern ohne Privatsphäre und Rückzugsmöglichkeit. Sie schlafen in Con­tainern, in einstigen Rathäusern, leeren Schulen oder Hostels – in manchen davon wirkt jede hygienische Vorschrift wie Hohn. Einige Unterkünfte in ehemaligen Bürohäusern empfangen sie Luxus vortäuschend mit Marmor-Entrees; die teils in Industriegebieten errichteten Containerdörfer mit hohen Zäunen, Flutlicht und Stacheldraht.

Doch befragt man Flüchtlinge dazu, hört man nicht selten, das sei alles gar nicht so schlimm. Es sei ja nur ein Übergang, ein erster Schritt auf dem Weg in ein neues Leben, eine neue Heimat. Denn Heimat ist mehr als nur ein Ort. Es sind Menschen, die sich kümmern, die da sind, helfen. Willkommen heißen, Beziehungen knüpfen. Was in Berlin vor der Erstaufnahmestelle des Landesamts für Gesundheit und Soziales (Lageso) und in manchen Heimen geschieht, wo Hunderte Ehrenamtliche Flüchtlingen helfen, ist davon der Anfang. Ein guter Anfang.

Geflüchtete brauchen ein Dach über dem Kopf, Essen, Kleidung, menschenwürdige Lebensbedingungen. Dazu gehören Menschen, die sie auf dem Weg in das neue Leben begleiten und die Sicherheit vermitteln, dass hier eine neue Heimat sein kann. Dabei haben die Behörden versagt. Für viele der helfenden Berlinerinnen und Berliner war es ein schockierendes Erlebnis, zu sehen, wie Flüchtlinge hier empfangen werden. Doch der Schock war heilsam: Er hat Veränderungen bewirkt, die nie zustande gekommen wären, hätte die Öffentlichkeit nicht derart empört reagiert.

Zu hoffen ist, dass viele HelferInnen sich diese Belastung weiterhin zumuten. Denn wer Asylsuchende auf Ämter, Flüchtlinge auf Wohnungssuche, Anerkannte zu Jobcentern begleitet, kann noch einige Schocks erleben. Setzen sich diese Hilfsbereitschaft und die damit einhergehende Empörung fort, kann die neue Einwanderung da noch manches bewegen – und so vielleicht dafür sorgen, dass die neue Heimat für alle BewohnerInnen tatsächlich etwas menschenwürdiger wird.

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