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„Primitivbürger“

LESUNG Freiheitsfeinde, aber kein monolithischer Block: Christoph Giesa über die „neuen Rechten“

Foto: Kaspar Fuglsang
Christoph Giesa

Jahrgang 1980, Publizist und FDP-Mitglied, hat mit Liane Bednarz „Gefährliche Bürger – Die Neue Rechte greift nach der Mitte“ veröffentlicht (Hanser 2015)

taz: Herr Giesa, als „Neue Rechte“ bezeichnet man das Milieu um dieJunge Freiheit und das „Institut für Staatspolitik“. Warum sprechen Sie in Ihrem Buch von „neuen Rechten“ – im Plural?

Christoph Giesa:Wir wollten sichtbar machen, dass es kein monolithischer Block ist, sondern ein dynamisches Netzwerk von Personen, die sehr unterschiedlich auftreten und unterschiedliche Schwerpunkte haben. Sie alle wollen aber eine autoritäre Gesellschaft, sind antidemokratisch, fremdenfeindlich, antiwestlich, antiliberal und homophob.

Wer genau ist das?

Die Köpfe der neuen Rechten kennen sich. Es sind Publizisten, Kolumnisten auch bei der Welt oder Focus sowie Vertreter vom rechten Rand der Kirchen, die zu ähnlichen Themen veröffentlichen, sich auf einander beziehen und sich auf Podien treffen. Die Personen lesen ähnliche Literatur und verbreiten selbst ähnliche Hypothesen, wie die, dass die Mainstream-Medien eine Lügenpresse sei. Thesen werden getestet – und die, die funktionieren, werden weiter vorangetrieben.

Setzen diese Leute auch auf aktuelles Geschehen?

Ja, sie sind oppertunitätsgetrieben. Sie warten auf Anlässe wie jetzt die Flüchtlingsfrage, um auf ein grummelndes Bauchgefühl der Leute einzugehen.

Sie benutzen den Begriff „Primitivbürger“.

Eine bewusste Provokation. Wir wollten eine deutliche Unterscheidung machen zwischen den Citoyens und diesen Bürgern, die bürgerlich auftreten, jedoch unter diesem Denkmantel Menschenhass verbreiten. Mit bürgerlichen Werten haben diese sich ethisch abgekoppelten Primitivbürger nichts gemein. Das eint Pegida mit den Angreifern in Heidenau.

Mit viel Verve werben Sie für die Werte der Aufklärung, des Humanismus und Liberalismus – und distanzieren sich gleich mehrfach von links.

Das ist keine Abgrenzung zu den Linken an sich. Es geht uns darum, sich aus konservativer und liberaler Sicht von diesen neuen Rechten abzugrenzen.

Hätten Sie sich dann nicht auch mit Teilen der CDU und der FDP zu befassen?

Wir sprechen uns vehement dagegen aus, dass die etablierten Parteien die Themen der neuen Rechten übernehmen. Wenn Abschiebungen erleichtert und Flüchtlinge abgeschreckt werden sollen, läuft man Gefahr, dass die Primitivbürger denken: Da haben wir doch was erreicht. Interview: AS

19.30 Uhr, Atelierhaus 23, Am Veringhof 23

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