Die Monster kommen

„Hannover muss vollständig zerstört werden“: Mit diesem Schriftzug wirbt derzeit eine Ausstellung im litauischen Expo-Pavillon. Lokalpresse und Oberbürgermeister finden das gar nicht lustig

von Daniel Wiese

Hannover hat seinen Kunstskandal. „Die Grenzen des Anstands“ seien überschritten, sagte Hannovers Oberbürgermeister Herbert Schmalstieg am Mittwoch der Neuen Presse. Der OB-Kandidat der CDU, Dirk Toepffer, findet es „unglaublich“, dass die Ausstellung vom städtischen Kulturbüro gefördert worden sei. Und ein Ratsherr der FDP sieht sogar den „Straftatbestand der Volksverhetzung erfüllt“.

Am Mittwoch hatte die größte Zeitung der Stadt, die Hannoversche Allgemeine, ein großes Foto des inkriminierten Kunstobjekts abgedruckt. Daneben stand: „Und was soll das?“ Bei dem Kunstobjekt handelt es sich um die Frontscheibe des litauischen Pavillons auf dem ehemaligen Expo-Gelände. Dort prangt seit Wochenbeginn in großen Leuchtbuchstaben der Schriftzug: „Hannover muss vollständig zerstört werden.“

1938, kurz vor Ausbruch des zweiten Weltkriegs, war es Orson Welles mit einer legendären Radioshow gelungen, die New Yorker vom Angriff der Marsianer zu überzeugen. Hinweise noch währen der Sendung, die Radioshow sei fiktiv, hatten das nicht verhindern können. In New York brach Panik aus. Erleidet Hannover dasselbe Schicksal?

Der Titel der Ausstellung im litauischen Pavillon ist „Monster-Attack“, es geht um Monster, Mutanten und die Bedrohung, die von ihnen ausgeht. Man könnte die Leuchtschrift so interpretieren, dass es die Monster sind, die das sagen. Tatsächlich geht die Diskussion in eine andere Richtung: „Die Leute rufen an und sagen, Hannover ist 1943 zerstört worden“, berichtet Heinz Balzer, der Leiter des städtischen Kulturbüros.

Als die Ausstellung eröffnet wurde, war die Leuchtschrift noch nicht da, sagt Balzer. Die Inschrift findet er aber auch nicht so schlimm, es handelte sich ja wohl eindeutig um Ironie. „Da wird ein Angriff simuliert, wie bei Orson Welles.“

Die Künstler Christian Riebe und Marius Albrecht ihrerseits versuchen, unbeeindruckt zu bleiben. „Hannover zu zerstören, wäre ja auch eine Chance“, sagt Christian Riebe. „ Es ist ja alles furchtbar hier.“ Und sein Kollege Albrecht beeilt sich zu versichern: „Natürlich ist das alles Ernst gemeint.“

Wie es aussieht, hat der Oberbürgermeister die beiden beim Wort genommen. „Hannover zerstören? Nicht mit mir!“, muss es in Herbert Schmalstieg gedacht haben. Der Vermieter des litauischen Expo-Pavillons, die „Expo Grund“, gehört der Stadt, und so wurde vorgestern ein Eilbote bei den Künstlern vorstellig. Entweder die Leuchtschrift werde entfernt oder die Ausstellung geschlossen.

Der Ausgang der Geschichte war bei Redaktionsschluss noch nicht bekannt. Es deutet vieles auf einen Kompromiss hin: Die Leuchtschrift wird verändert, die Ausstellung bleibt.

Damit wäre auch der litauischen Botschaft gedient, die sich ebenfalls über den Schriftzug beschwert hatte: Man fände es „sehr ungemütlich“, dass die Inschrift neben dem Namen „Litauen“ stehe, der am Pavillon übrig geblieben ist.

Die litauischen Sorgen sind jedoch unbegründet. „Ich hoffe, dass wir von außen gerettet werden, mit dem Hubschrauber oder so“, sagt Christian Riebe. „Und Litauen muss auch erhalten bleiben.“