: The Energiewende
KLIMA Barack Obama will den CO2-Ausstoß der USA senken und erfindet dabei den Ökopatriotismus. Die Konsequenz: Das Nötige bleibt unmöglich
von Ingo Arzt
So: „Der Klimawandel ist die größte Herausforderung für unsere Zukunft.“ „Wir haben nur einen Planeten. Es gibt keinen Plan B.“ „Wenn die Welt vor ihrer größten Herausforderung steht, dann ergreift Amerika die Führung.“
Das waren ein paar Sätze aus Barack Obamas Rede diese Woche zu seinem sogenannten Clean Power Plan. Der beinhaltet, dass die US-Emissionen an Treibhausgasen im Energiesektor bis zum Jahr 2030 um 32 Prozent sinken sollen.
In den USA! War das nicht der große Klimasatan? Und dann diese kraftvolle Rhetorik Obamas, der den amerikanischen spirit beschwört: Wir erledigen alles. Hitler, die Sowjets, Saddam. Und jetzt kommt die Erderwärmung dran. Ein Präsident wird Ökopatriot.
Ist das die Zeitenwende im Kampf gegen die Erderwärmung? Auf den ersten Blick ist Obamas Plan ein wirklich historischer: Erstmals können Kraftwerke in den USA nicht mehr unlimitiert Klimagase in die Luft blasen. Im Jahr 2015, dem Jahr, an dessen Ende die Vereinten Nationen in Paris ein globales Klimaschutzabkommen verabschieden wollen, stürmt Obama voran. Endlich wird er Klimapräsident. Gott segne Amerika.
Wenn da nicht ein Problem wäre. Obamas Vorstoß zementiert ein internationales Paradigma in der Klimapolitik: Getan wird, was möglich erscheint. Nicht, was aus Gründen des Überlebens notwendig ist.
Das Prinzip ist aus Angela Merkels Fukushima-Wende bekannt: Die danach propagierte Energiewende war nichts als das Einsammeln bereits vorhandener Möglichkeiten: Recycling des alten Atomausstiegs mit geringen politischen Kosten, weil in Umfragen von der Mehrheit des Wahlvolks goutiert. Seither trottet Deutschland die Kurve allgemeiner technologischer Effizienzgewinne entlang, ohne irgendjemand viel abzuverlangen.
Die Motivation von Obama mag eine andere sein; ihm können Wahlen mittlerweile egal sein. Allerdings sind auch seine Maßnahmen nichts als die Summe der allgemeinen Entwicklung: Als Folge seines Plans könnten bis 2030 zwar Hunderte Kohlekraftwerke vom Netz gehen. Man muss aber wissen: Bis dahin sind fast 300 von 1.400 Kohlekraftwerken in den Staaten älter als 60 Jahre. Ersetzt werden sie durch Erdgas, was in den USA derzeit so billig ist, dass es eine natürliche Marktentwicklung ist. Obama lässt Schrott abbauen und nennt es Klimaschutz. Beim Ausbau erneuerbarer Energien verspricht er ein Plus von 30 Prozent, was angesichts der immer billigeren Wind- und Solarkraft ein Selbstläufer wird.
Ebendiese Politik – wir summieren, was unseren American, European oder Chinese way of life nicht gefährdet – verfolgen auch die Vereinten Nationen. Beim großen Klimaschutzabkommen im Dezember wird einfach addiert, was ohnehin alle vorhaben. Über allem steht dabei die Feststellung: Eigentlich müssten die Industrieländer viel schneller runter von ihren Emissionen, soll der Klimawandel nicht zur Katastrophe für die meisten Lebewesen auf der Erde werden.
Allerdings ist genau dieses Eigentlich eine linke Stammtischphrase. Sie ist so naiv wie die Inszenierung Obamas zu seinem Clean Power Plan. Trotzdem ist beides wichtig: Die Inszenierung von oben, das Plakative, Appellative, weil nur so eine positive Erzählung aus dem apokalyptischen Szenario wird. Und das ständige Ätzen von unten: Was ihr macht, ist nie genug.
In den USA gibt es einen wahren Aufstand gegen Obamas Plänchen. In Deutschland prügeln sie sich wegen einer Miniabgabe auf alte Kohlekraftwerke. Nein, den großen Wurf kann es nie geben.
Irgendwo in dem Gewühl aus Big Business, Graswurzelbewegungen, radikalen Verweigerern, Wissenschaft, Unternehmertum, falschen Versprechungen und versprochenem Falschen entsteht die Veränderung. Ob sie ausreicht, weiß niemand. Aber ein US-Präsident, der eine dicke Lippe riskiert, ist doch schon mal was.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen