: Parlamentarier unter Verdacht
Strafverfahren Bremische Bürgerschaft hebt Immunität von zwei SPD-Abgeordneten auf. Ihnen wird Betrug und Bestechung vorgeworfen
Zwei Bremer Bürgerschaftsabgeordnete genießen seit gestern keine Immunität mehr. Jetzt darf die Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen Andreas Kottisch und Mehmet Acar (beide SPD) aufnehmen. Kottisch wird vorgeworfen, Mitarbeiter der Stadtverwaltung Bremerhavens als Kunden seiner IT-Firma zum Essen eingeladen zu haben. Aca soll Steuern hinterzogen und Sozialabgaben für die Mitarbeiter seines Bauunternehmens nicht abgeführt haben.
Die Höhe des Schadens soll sich im Falle Acars auf mehr als eine Million Euro belaufen. Gegen ihn war bereits vor der Bürgerschaftswahl 2015 ein Gerichtsverfahren anhängig. Die SPD setzte Acar zwar nur auf Patz 61 ihrer Kandidatenliste, er konnte aber mit 1.536 Direktstimmen erstmals in die Bürgerschaft einziehen.
Ihre Parlamentsarbeit setzten Kottisch und Acar trotz der Vorwürfe fort. Gewählt ist gewählt. Selbst nach einer Verurteilung dürften beide bis zum Ende der Legislaturperiode ihrer Volksvertretertätigkeit nachkommen. Ihre Strafe müssten sie erst anschließend antreten. Nach Auskunft des Bürgerschaftspräsidenten wird in Bremen die Immunität ein- bis zweimal pro Legislaturperiode aufgehoben. Im niedersächsischen Landtag gab es in den letzten zehn Jahren sieben Fälle.
In Hamburg ist das Verfahren genau umgekehrt. Kein Parlamentarier genießt besondere Schutzrechte im Voraus. Erst bei staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen kann Immunität gewährt werden. Das kam laut Bürgerschaftspressestelle seit 1997 einmal vor.
Grundsätzlich soll die Immunität die Redefreiheit der Parlamentarier garantieren und diese vor Willkürakten schützen, einstmals beispielsweise vor der monarchistischen Exekutive. Bereits im antiken Rom genossen Volkstribune diesen Schutz. Wer ihnen dieses Recht verwehrte, wurde bestraft – manchmal sogar mit dem Tod. fis
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen