Im Dirndl

DOKU Zwei Asylsuchende in Bayern („Das Gold-dorf“, 22.45 Uhr, ARD)

Es ist ein sonderbares Land, in das es Ghafar Faizyar verschlagen hat: „Die jungen Leute hier in Deutschland, die mögen die alten Traditionen. Aber sonst überall in der Welt, besonders in meinem Land, mögen sie diese alten Traditionen nicht. Sie wollen modern sein. Sie tragen nicht die alte Kleidung und machen nicht die Dinge, die aus der Vergangenheit stammen.“

Ob das vielleicht doch ein zwingender Einwand gegen Carolin Genreiths (Heimat-)Film ist: dass sie ihren beiden Protagonisten nicht verraten hat, dass sie in einem Freilichtmuseum gelandet sind? So lässt sie das 5.000-Seelen-Dorf Bergen im Chiemgau in ihrem Dokumentarfilm jedenfalls aussehen. Seine Bewohner in Dirndl und Lederhosen scheinen den ganzen Tag mit Brauchtumspflege beschäftigt zu sein, mit Blasmusik und Schuhplattler. Und damit, ständig neue kleine Dirndl­mädchen zu produzieren.

Das ist das (ästhetische) Filmkonzept. Das Aufeinandertreffen des vermeintlich Urdeutschen mit dem Unbekannten. Wobei es durchaus sein kann/soll, dass die Heimattümelei auf den Zuschauer exotischer wirkt als die beiden Asylsuchenden.

Ghafar Faizyar war als af­gha­ni­scher Regisseur zur Berlinale eingeladen und ist geblieben, weil die Taliban seine Frau, seine zwei Kinder und ihn bedroht hatten. Fishatsyon Hailu ist vor der Militärdiktatur in Eritrea geflohen, auf der brutalen Schleuserroute über Libyen und das Mittelmeer. Jetzt teilen sich die beiden das Doppelbett in einem früheren Touristenhotel in Oberbayern. Ihr Tagesablauf besteht aus Deutsch lernen, deutsche Bürokratie lernen, Sorge um die Familie und Völkerkunde. Die Eingeborenen begegnen ihnen mit wohlwol­len­dem Fremdeln. Sie stoßen auf Hilfsbereitschaft und Stammtischgeschwätz („Mir san a net auf Amerika und auf Kanada ausgewandert, sondern – weil des bei uns unser Heimat is!“).

Die Hässlichkeiten gegen Asylbewerber, von denen in diesen Tagen zu hören ist, möchte man keinem Bergener zutrauen. Jens Müller