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Das perfide Instrument der Geständnisse

China Die inhaftierte und verurteilte Journalistin Gao Yu wird massiv unter Druck gesetzt

Gao Yu 2012 Foto: Kin Cheung/ap

BERLIN taz | Sie ist bekannt für ihren Kampfgeist. Sie hat mehrfach wegen ihrer Berichte im Gefängnis gesessen. Sie darf in China als Journalistin seit Tiananmen 1989 nicht mehr arbeiten – und ist doch respektiert für ihre politischen Analysen, die sie bis zum vergangenen Jahr in Hongkonger und ausländischen Medien, darunter der Deutschen Welle, veröffentlichte.

Doch jetzt scheint die 71-jährige Gao Yu, die im April erneut zu einer Gefängnisstrafe von sieben Jahren verurteilt wurde, am Ende ihrer Kraft zu sein. „Ich will hier nicht sterben“, sagte sie ihrem Rechtsanwalt Shang Baojun, der sie vor wenigen Tagen in einer Pekinger Haftanstalt besuchen durfte.

Ihre Familie und ihre Freunde machen sich große Sorgen. Wie der Sohn der Publizistin, Zhao Meng, und ihr Anwalt der Hongkonger South China Morning Post und dem internationalen Komitee zum Schutz von Journalisten (CPJ) berichteten, ist Gao Yu inzwischen schwer erkrankt. Bei einer medizinischen Untersuchung seien kürzlich verdickte Lymphknoten entdeckt worden, wobei noch nicht klar sei, ob diese bösartig sind. Sie ist seit längerer Zeit herzkrank und braucht dafür ständig Medikamente.

Gao Yu war 2014 festgenommen und ein Jahr später, im April dieses Jahres, wegen „Verrats von Staatsgeheimnissen“ verurteilt worden. Das Gericht warf ihr vor, ein internes Parteidokument in Hongkonger Medien veröffentlicht zu haben. Dieses „Dokument Nr. 9“ enthält die Anweisung, dass „schädliche“ Ideen wie die Entwicklung einer Zivilgesellschaft, Pressefreiheit, universelle Menschenrechte oder Gewaltenteilung in China zu bekämpfen seien. Gao Yu hat die Anklage zurückgewiesen und Einspruch eingelegt.

Der Sohn und der Bruder Gao Yus haben die Behörden jetzt aufgefordert, sie zur medizinischen Versorgung aus der Haft zu entlassen. Allerdings müsste sie dafür, erklärte ihr Anwalt gegenüber CPJ, womöglich einen hohen Preis bezahlen und ein „Geständnis ablegen“. Seit Mai dieses Jahres werde Gao Yu in häufigen, stundenlangen Verhören gedrängt, zu gestehen –auch nachdem das Urteil bereits gefallen war.

Bereits kurz nach ihrer Festnahme im vergangenen Jahr hatte das chinesische Staatsfernsehen Aufnahmen im ganzen Land ausgestrahlt, bei denen Gao Yu in orangener Sträftlingsweste gegenüber ihren Verhörern von „Fehlern“ sprach, die sie begangen habe. Später, als sie ihren Rechtsanwalt sprechen durfte, berichtete sie, dass sie zu diesem Geständnis – von dem sie nicht wusste, dass es aufgenommen wurde – gezwungen worden sei. Erst nach dem Geständnis war ihr Sohn, der mit ihr festgenommen worden war, wieder freigekommen.

Solche öffentlichen Geständnisse, die im TV ausgestrahlt werden, schon bevor die Beschuldigten einen Anwalt sehen dürfen oder vor Gericht gestellt werden, hat es in den vergangenen Monaten immer wieder gegeben. Ältere Chinesen fühlen sich an die dunklen Zeiten unter Mao Zedong erinnert, als öffentliche Demütigungen und Schauprozesse zum Alltag gehörten.

Die Familie und die Anwälte Gao Yus berichten jetzt, sie seien verwarnt worden, nicht mit der internationalen Presse zu sprechen. Jutta Lietsch

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