: PflegerInnen sollen Alleskönner werden
Beruf Die Ausbildungen für Alten- und Krankenpflege werden zusammengelegt, um den Fachkräften anschließend einen flexibleren Wechsel zwischen Pflegeheim und Krankenhaus zu ermöglichen. Doch am entsprechenden Referentenentwurf gibt es Kritik
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Aus Berlin Barbara Dribbusch
Das Curriculum liest sich beeindruckend: Die SchülerInnen bilden sich weiter in „Konzepten der Krisenbewältigung und Trauerarbeit nach Schuchardt“, sie sollen eine Ahnung haben von „Leiningers Theorie der interkulturellen Pflege“, sie müssen etwas wissen über Schmerztheorien wie dem „Total-Pain-Konzept nach Saunders“ und sich natürlich auskennen in fachgerechter Lagerung, Blasenkatheterwechseln, subkutaner Injektion.
Die dreijährige Ausbildung zur examinierten AltenpflegerIn ist viel mehr als Hinternabwischen und Essenreichen. Doch jetzt soll der Bildungsgang mit den Ausbildungen zur KrankenpflegerIn und KinderkrankenpflegerIn verschmolzen werden zu einem einzigen Beruf: der „generalistischen Pflegefachkraft“. Ein Referentenentwurf für ein neues Pflegeberufegesetz soll noch in diesem Jahr kommen, sagt eine Sprecherin im federführenden Bundesfamilienministerium. Ein Arbeitsentwurf liegt bereits vor.
Mit dem neuen Beruf sollen examinierte Pflegekräfte flexibler sowohl in Kliniken als auch in Pflegeheimen einsetzbar werden. AltenpflegerInnen dürfen bisher nicht in Kliniken arbeiten. Auch die kurze Verweildauer von AltenpflegerInnen im Beruf soll gestoppt werden. Laut einer Studie aus Rheinland-Pfalz sind nach zehn Jahren nur noch die Hälfte in der Altenpflege, in der Krankenpflege aber noch 70 Prozent im Beruf.
Pro Schuljahr würden künftig mehr als 50.000 PflegeschülerInnen eine solche generalistische Ausbildung beginnen. Die besteht hälftig aus Schule und Praxis. Doch die Verschmelzung der Bildungsgänge ist heikel. Altenpflegeverbände und die Grünen protestieren. Auch die Gewerkschaft Verdi hätte lieber einen neuen integrierten Ausbildungsgang mit gemeinsamer Grundlagenausbildung und anschließender Schwerpunktsetzung, statt einen einheitlichen Pflegeberuf. Bei einer generalistischen Ausbildung bliebe „zwangsläufig zu viel Fachwissen auf der Strecke“, sagt die pflegepolitische Sprecherin der Grünen, Elisabeth Scharfenberg.
Getrud Hundenborn, Expertin am Deutschen Institut für angewandte Pflegeforschung, sieht das anders. Sie hat ein „Test-Curriculum“ für den neuen Bildungsgang entwickelt. Das neue Curriculum soll praxisnäher werden. Die PflegeschülerInnen erwerben, aufgeteilt nach Pflegesituationen, das Fachwissen, das in Situationen etwa mit verwirrten, alten Menschen oder Säuglingen benötigt werde. Am Ende sei die Fachkraft in der Lage, Menschen aller Altersstufen stationär und ambulant zu betreuen. Man werde allerdings im Unterschied zu den bisherigen Ausbildungsgängen in Alten- und Kinderpflege nicht mehr „alles Spezifische“ im Umgang mit alten Menschen und nicht mehr alle Details im Handling der Säuglinge besprechen können.
„Mit einem generalistischen Ausbildungsgang würde die Selektion in der Pflegeausbildung abgeschafft“, sagt Hundenborn. Bisher nämlich regiert in der Pflege folgende Hierarchie: In der beliebten Kinderkrankenpflege lernen mehrheitlich AbiturientInnen, in der Krankenpflege haben ebenfalls viele Auszubildende einen Hoch- oder Fachhochschulabschluss. In der Altenpflege landen diejenigen mit mittlerem oder Hauptschulabschluss und schlechteren Zeugnissen, ganz so, als handle es sich um eine Art von minderwertigem Beruf.
Die Anforderungen für AltenpflegerInnen im Heim und für das Personal in Kliniken seien aber „vollkommen unterschiedlich“, sagt Bernd Tews. Der Geschäftsführer des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste lehnt die Generalisierung ab. Es sei nicht zu erwarten, dass damit der Personalmangel in Pflegeheimen bewältigt werde. Vielmehr würde bei den AbsolventInnen des neuen Bildungsgangs, die früher vielleicht in der Altenpflege gearbeitet hätten, jetzt die Erwartung geschürt, im Krankenhaus zu arbeiten. Man könne die Attraktivität des Berufs der AltenpflegerIn nicht einfach durch eine neue Ausbildungsordnung steigern, sondern müsse sie durch bessere Arbeitsbedingungen und Gehälter erhöhen, sagt auch Christina Kaleve, Bundesvorsitzende des Deutschen Berufsverbands für Altenpflege.
Ein neuer generalistischer Bildungsgang in der Pflege wäre allerdings EU-kompatibel. Im europäischen Ausland kennt man einen spezifischen Beruf der Altenpflegerin nicht. Examinierte AltenpflegerInnen aus Deutschland haben daher Probleme, im Ausland ausbildungsadäquat zu arbeiten. Das ist ein wichtiges Argument der Befürworter der Generalistik.
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