Mit dem Smartphone nebenher die Welt retten

ARMUT Die UNO will mit der neuen Spenden-App ShareTheMeal den Hunger besiegen. Ein unabhängiges Spendensiegel wurde noch nicht beantragt

40 Cent reichen, um ein Schulkind einen ganzen Tag lang zu ernähren

BERLIN taz | Die letzte U-Bahn erwischen oder die nächste Pizzeria finden – Apps sind längst omnipräsent. Um Spender für humanitäre Hilfsprojekte zu akquirieren, haben zwei Unternehmensberater während ihres Sabbatical-Jahrs beim Welternährungsprogramm (WEP) die App ShareTheMeal entwickelt, die ihren Sitz als gemeinnützige GmbH in Berlin hat.

Das Prinzip: App herunterladen, Zahlungsdaten eingeben und per Fingerwisch für nur 40 Cent ein Schulkind ernähren – und zwar einen ganzen Tag lang. Möglich ist das schon seit einigen Wochen, doch erst nach einer Testphase wurde ShareTheMeal am 30. Juni 2015 offiziell live geschaltet.

„Wir haben nach einer Möglichkeit gesucht, wie Menschen auf einfache Weise 40 Cent spenden können. So kam es zur App-Idee, denn immerhin gibt es weltweit zwei Milliarden Smartphone-Nutzer bei 100 Millionen hungernden Kindern“, erzählen die beiden ShareTheMeal-Gründer Sebastian Stricker und Bernhard Kowatsch. Eigentlich war das Engagement der beiden 32-Jährigen nur temporär gedacht, doch die Unternehmensberater sind beim WEP geblieben.

Als erstes Etappenziel sollen Schulkinder im südafrikanischen Lesotho mit Mahlzeiten versorgt werden. „Knapp 40 Prozent der Kinder leiden dort an chronischem Hunger“, sagt Sebastian Stricker.

Gespendet wurden bisher rund 615.000 Mahlzeiten, die durch das WEP vor Ort an etwa 50.000 Kinder in den Schulen verteilt werden. Per App kann die aktuelle Entwicklung mitverfolgt werden.

Spenden per Smartphone. Nicht nur Bernhard Kowatsch und Sebastian Stricker glauben, dass darin die Non-Profit-Zukunft liegt. Finanziert wird ShareTheMeal deshalb über diverse Zuwendungen durch Unternehmen, einen eigens eingerichteten WEP-Innovationstopf und auch über das ehrenamtliche oder nur symbolisch bezahlte Engagement der Mitarbeiter. Einzig die beiden Gründer erhalten ein reguläres Gehalt. Kowatsch und Stricker sind neben ShareTheMeal aber auch für weitere Projekte der UN-Organsiation zuständig.

WEP-Sprecherin Katharina Weltecke glaubt, dass im humanitären Bereich und in der Entwicklungshilfe „allgemein Innovationsbedarf“ besteht: „Es gibt viel zu viele Hungernde weltweit, nämlich circa 790 Millionen. Wir müssen in den Industrienationen deshalb neue Wege finden, wie wir diese dramatische Zahl vermitteln können.“

Trotzdem wird ShareTheMeal auch kritisch beobachtet. „Die App an sich ist transparent, user-freundlich gestaltet und gut geeignet, um etwa Erst-Spender für das Thema humanitäre Hilfe zu interessieren“, sagt Burkhard Wilke, Geschäftsführer des Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen (DZI). Insgesamt aber sei das Spendenwesen des WEP „stark verbesserungswürdig“.

So stelle sich die Frage, warum sich das WEP in Deutschland keinen eigenen Rechtskörper gibt – was für eine Prüfung und Anerkennung der Gemeinnützigkeit durch die deutschen Finanzbehörden oder auch für eine Zertifizierung mit dem allgemein anerkannten DZI-Spenden-Siegel notwendig sei. Daniel Segal