: Zurück in die Zukunft
Alexanderplatz Das Haus des Reisens, der Berliner Verlag und die Weltzeituhr sind als architektonisches Erbe der DDR unter Schutz gestellt. Linke-Abgeordnete Katrin Lompscher lädt zum Rundgang über den Alex. Eine Reflexion
von Uwe Rada
Dunkel ist es, beklemmend und still. „Als der Trakt noch in Betrieb war, war es hier unglaublich laut“, sagt Angela Deppe. „Das hat mir ein ehemaliger Häftling erzählt. Zwei Wochen saß er hier im Polizeigefängnis und wusste nicht, dass er sich am Alexanderplatz befand.“
Wenn der Alexanderplatz Licht und Schatten hat, so ist das ehemalige Polizeigefängnis sicher der düsterste Ort an Berlins wimmeligstem Ort. 1951 wurde der Knast an der Stelle eines zerbombten Seitenflügels des ehemaligen Karstadt-Verwaltungsbaus hochgezogen. „Die 250 Plätze waren ständig belegt“, sagt Deppe, die eigentlich Portfoliomanagerin der Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM) ist. Weil aber das Gefängnis mitten auf dem von der BIM sanierten Gelände am Alex liegt, beschäftigt sie sich auch mit der Geschichte des Knastes. Und mit seiner Zukunft. „Wir wollen, dass das Polizeigefängnis als Lernort zugänglich wird“, sagt sie. Gespräche dazu laufen bereits.
Die Führung durch den ehemaligen Polizeiknast hat Katrin Lompscher organisiert. In der Sommerpause wollen einige Abgeordnete der Linken ihre Stadt neu entdecken und laden zu thematischen Stadtrundgängen ein. Dass sich die stadtentwicklungspolitische Sprecherin und ehemalige Umweltsenatorin Katrin Lompscher den Alexanderplatz ausgesucht hat, war gutes Timing. Wenige Tage zuvor hatte das Landesdenkmalamt beschlossen, mit dem Haus des Reisens, dem Berliner Verlag und der Weltzeituhr drei Orte der DDR-Moderne unter Schutz zu stellen. „Das ist eine gute Entscheidung“, sagte Lompscher zu Beginn des Rundgangs.
Was war der Alexanderplatz schon alles gewesen. Weltstadtplatz in den späten zwanziger und frühen dreißiger Jahren. Zentrum und Gesicht von Berlin, Hauptstadt der DDR. Sanierungsfall nach der Wende. „Nur eines war der Alex nie“, sagt Lompscher. „Er war kein Aufmarschplatz der DDR-Regierung, wie viele immer wieder behaupten. Die größte Kundgebung war die am 4. November 1989 mit einer halben Million Menschen.“ Als einen Platz der Menschen bezeichnet Lompscher den Alexanderplatz. Und als solchen will sie ihn auch in Zukunft behalten.
Städtebaulicher Wettbewerb: Der Architekt Hans Kollhoff gewann 1993 den Wettbewerb mit einem Entwurf, der zehn Türme à 150 Meter Höhe vorsah.
Bebauungsplan: Weil keiner der Türme gebaut wurde, schuf die damalige Bausenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) 2005 die Möglichkeit, zunächst nur die Sockel zu bauen. Die Türme könnten dann später gebaut werden. Dem Beispiel folgten die Alexa und das Saturn-Gebäude des Investors Hines. Auch der Kaufhof wurde in diesem Sinne umgebaut.
Denkmalschutz: Mit der Entscheidung, das Haus des Reisens und den Berliner Verlag unter Denkmalschutz zu stellen, ist der Kollhoff-Plan endgültig Makulatur. Beide Gebäude können nun nicht mehr für ein Hochhaus abgerissen werden. Auch die TLG hat ihren Riegel für mehrere Millionen Euro saniert.
Zukunft: Über die weitere Gestaltung des Platzes entscheidet nun ein Workshopverfahren, das am 9. Juli begonnen hat. Am 1. September soll es einen Bürgerworkshop zur Änderung des Masterplans geben.
Bauvorhaben: Im Gespräch sind derzeit zwei Hochhäuser neben Saturn und der Alexa. Laut Linken-Abgeordneter Katrin Lompscher gibt es auch beim Kaufhof neue Überlegungen, doch noch einen Turm an der Karl-Liebknecht-Straße zu bauen.
Abriss: Die WBM prüft, inwieweit das Wohngebäude an der Memhardstraße abgerissen werden kann. Neue Wohnungen könnten dann in einem Neubau entstehen.
Dass das architektonische Erbe der DDR dazugehört, steht für die Linke-Abgeordnete, die in Mitte lebt, außer Zweifel. „Mit dem Denkmalschutz für die drei Orte zeigt sich, dass die DDR-Moderne ihren Platz gefunden hat. Ein Kahlschlag, wie er nach der Wende geplant wurde, ist damit nicht mehr so einfach möglich.“
Aber wäre es wirklich ein Kahlschlag gewesen, den der Architekt Hans Kollhoff mit seinem Siegerentwurf beim städtebaulichen Wettbewerb aus dem Jahre 1993 vorbereitet hätte? Zehn Türme mit einer Höhe von 150 Metern wollte der Architekt damals realisieren. Sie sollten aus Sockelgebäuden emporsteigen und damit gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Die Sockel sollten den Platz neu fassen und ihm wieder eine urbane Gestalt geben. Die Türme wiederum sollten die Botschaft verbreiten, dass der Zukunft des vereinigten Berlin keine Grenzen gesetzt sind.
Was Kollhoff betrieb, war im Grunde nur die Fortsetzung dessen, was vor dem Krieg begonnen hat. Auch der Weltstadtplatz des damaligen Stadtbaurates Martin Wagner, von dem heute nur noch die Behrensbauten, also das Berolina- und das Alexanderhaus übrig sind, war das Ergebnis eines Kahlschlags. Bei ihrer Führung durch den Polizeiknast zeigt Angela Deppe ein Luftbild. Es zeigt, wie der 1931 fertiggestellte Verwaltungsbau von Karstadt an der nördlichen Platzseite herausragt aus einem Meer von kleinen Mietshäusern.
Auf den Trümmern des vom Krieg zerstörten Platzes baute dann die DDR ihre Variante von Großstadtplatz – und der war vor allem autogerecht. „Erinnert sich noch jemand an die Autoschneise zwischen dem Hotelhochhaus und dem Haus der Elektroindustrie?“ Dass die Rennstrecke nun zurückgebaut wurde, findet Lompscher richtig.
Auch gegen neue Hochhäuser hat die Linken-Abgeordnete grundsätzlich keine Bedenken. „Ich kann mir am Alexanderplatz durchaus sechs neue Hochhäuser vorstellen.“ Nur 150 Meter hoch sollen sie nicht sein. „Mit seinen 120 Metern gibt das Hotel eine Linie vor, die man nicht überschreiten sollte“, fordert Lompscher. Mit einem Turm aber hätte sie Probleme. „Wenn das Hochhaus an der Alexa gebaut werden würde, würde es die Sichtachse von der Karl-Marx-Allee auf den Fernsehturm verstellen.“
Von den Hochhäusern, die 1993 geplant wurden, ist bislang kein einziges gebaut. Dennoch wandelt sich der Alex rasant. Das zeigt nicht nur die Geschichte des ehemaligen Karstadt-Verwaltungsbaus, in dem bis 1945 das Reichsamt für Statistik untergebracht war und nach dem Krieg das Ostberliner Polizeipräsidium samt angeschlossenem Knast. Von 2008 bis 2010 wurde es umfassend saniert und beherbergt heute die Senatsverwaltung für Bildung, die BIM und eine Polizeiwache. Auch beim DDR-Statistikamt auf der gegenüberliegenden Seite der Otto-Braun-Straße überlegt die BIM gerade, nach Sanierung oder Neubau Landesbehörden unterzubringen.
„Am Alex ist Musike“, schließt Katrin Lompscher nach mehr als drei Stunden ihre Führung. Doch noch mehr Musik spielt inzwischen nördlich des Platzes. Ungeachtet aller Debatten um die Zukunft des Alexanderplatzes sind dort in den letzten Jahren zahlreiche Hotels entstanden. „Inzwischen ist das ein Partyort der jungen Touristen“, sagt Lompscher. Stadt ist halt nicht immer planbar.
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